Eine Braut fuer den italienischen Grafen
anhast. Niemand ist schöner als eine Braut an ihrem Hochzeitstag, denn sie strahlt die Liebe aus, die sie empfindet!“
„Meinst du?“ Ana fand nicht, dass sie strahlte, in Wahrheit war sie ziemlich blass, allerdings war sie ja auch nicht verliebt.
„Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst sehr nervös. Aber das sollte mich eigentlich nicht wundern. Weißt du noch, wie ich mich am Morgen meiner Hochzeit vor Aufregung beinahe übergeben hätte?“ Paola schwieg für einen Moment, dann fragte sie behutsam: „Bist du ganz sicher, dass du das Richtige tust?“ Sie lächelte entschuldigend. „Als deine Brautjungfer und Trauzeugin muss ich dich das fragen.“
„Schon gut.“ Trotz ihrer Anspannung brachte Ana ein Lächeln zustande. „Ja, das bin ich.“
Eines wusste sie mit Sicherheit: In ihr altes Leben wollte sie nicht wieder zurückkehren. Was immer die Ehe auch mit sich bringen würde, sie würde Vittorio nicht sitzen lassen. „Möglicherweise bin ich besonders aufgeregt, weil wir keine normale Ehe eingehen werden.“
„Was meinst du damit?“
„Vittorio und ich haben erst vor vierzehn Tagen beschlossen zu heiraten.“ Es tat ihr gut, der Freundin endlich die Wahrheit zu gestehen, wozu sie sich bisher nicht hatte durchringen können. „Wir sind weder verliebt, noch kennen wir einander gut. Es handelt sich um eine Vernunftehe.“
Paola sah sie ungläubig an. „Seit wann hat Ehe etwas mit Vernunft zu tun?“
Ana lachte, doch ihre Stimme schwankte leicht, als sie antwortete: „Wir haben viel gemeinsam. Wir streben dieselben Ziele an, sind ehrgeizig und haben ähnliche Ansichten über … alles Mögliche.“ Während sie sprach, ging ihr auf, wie unzureichend diese Begründung in den Ohren der Freundin klingen musste, zumal sie selbst nicht die Hälfte von dem glaubte, was sie sagte.
Tatsächlich runzelte Paola skeptisch die Stirn. „Ana, bist du wirklich überzeugt …“
In diesem Moment klopfte es an der Zimmertür, und Enrico rief: „Schatz, bist du fertig? Wenn wir pünktlich sein wollen …“
Entschlossen atmete Ana durch. Es war so weit. In etwa einer Stunde würde Vittorio ihr Mann, und sie die Contessa de Cazlevara sein.
Mit einem Mal fielen ihr zahlreiche Begebenheiten aus ihrem Leben ein: Sie erinnerte sich an den Tod ihrer Mutter, die Zeit, als ihr Vater in seiner Trauer versunken war, das Mädchenpensionat, an ihre Studienzeit, als sie allmählich Selbstbewusstsein und Selbstachtung entwickelt hatte, um beides in jenem entsetzlichen Moment in Robertos Armen größtenteils wieder einzubüßen. Später hatte sie nächtelang am Fenster gesessen und überlegt, was das Leben ihr noch bieten, ob sie je die wahre Liebe finden würde. Schließlich hatte sie beschlossen, nicht weiter danach zu suchen, sondern das zu genießen, was sie bereits besaß, im Heute zu leben, statt auf das Morgen zu hoffen. Im Rückblick erschien es ihr, als hätten all diese Ereignisse sie zu genau jenem Punkt geführt, an dem sie sich jetzt befand: im Begriff, Vittorio zu heiraten.
Gleich darauf dachte sie daran, wie er ihr zärtlich über die Wange streichelte, an das Gefühl seiner Lippen auf ihren, seiner Hände auf ihrem Körper. An sein freundliches und zuvorkommendes Verhalten während der letzten vierzehn Tage, ihre gemeinsamen Pläne und Hoffnungen für die Zukunft.
Unvermittelt fiel alle Panik von ihr ab und machte einer gelassenen Entschlossenheit Platz. Sie atmete tief durch und lächelte Paola beruhigend zu.
„Ja, ich will ihn heiraten.“ Dann wandte sie sich um, öffnete die Tür und ging hinaus zu ihrem Vater. „Ich bin fertig.“
Bei Anblick seiner Tochter im Hochzeitskleid seiner verstorbenen Frau traten Enrico Tränen der Rührung in die Augen. „Du bist wunderschön!“
Sie lächelte.
Etwa ein Dutzend Gäste, nahe Verwandte und Freunde, füllte die wenigen Bankreihen der Kapelle auf Castello Cazlevara, als Ana wenig später dort einzog.
Vittorio, der sie neben dem Altar erwartete, wandte sich bei den ersten Klängen der Orgel nach ihr um. Für einen Moment konnte sie ihm die große Enttäuschung über ihre Aufmachung ansehen, dann hatte er sich wieder im Griff und lächelte ihr sogar zu.
Dennoch war sie so aufgeregt, dass sie von der Trauungszeremonie kaum etwas mitbekam. Als er ihr den antiken goldenen Ring an den Finger steckte und sie auf die Wange küsste, schienen ihr erst wenige Minuten vergangen zu sein.
Unter dem Applaus der Hochzeitsgäste zog das Brautpaar aus der Kapelle
Weitere Kostenlose Bücher