Eine Braut fuer den italienischen Grafen
aus, und Vittorio führte Ana in die Halle im Schloss, wo das Hochzeitsmahl stattfinden sollte.
Unterwegs betrachtete sie ihn verstohlen. Er wirkte angespannt und hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. Erneut wurde ihr bewusst, wie fremd ihr Ehemann ihr war.
Ihr Mann! Der Gedanke war unglaublich, beängstigend, bizarr, sogar lächerlich – und gleichzeitig aufregend. Verzweifelt versuchte sie die Zuversicht wiederzuerlangen, die sie kurz vor der Trauung noch empfunden hatte.
In der Halle war eine lange Tafel festlich eingedeckt mit edlem Porzellan, funkelndem Kristall und wunderschönen Blumenarrangements.
„Nach dem Empfang können wir uns zurückziehen. Sicher bist du erschöpft“, wandte Vittorio sich höflich an seine frisch angetraute Frau.
„Vielen Dank.“ Ana empfand seine Worte als sehr steif und unpersönlich. Werden wir uns künftig immer so förmlich unterhalten? fragte sie sich deprimiert.
Das ganze Festmahl über war sie außerordentlich angespannt. Auch die Gäste schienen zu spüren, dass sie an keiner normalen Hochzeitsfeier teilnahmen, und warfen dem Brautpaar immer wieder neugierige Blicke zu. Trotz ihrer Nervosität widmete Ana sich ihnen allen mit großer Aufmerksamkeit, mit Ausnahme von Constantia, die ihr nicht einmal das Wort gönnte. Sie schaffte es sogar, von den köstlichen Speisen zu essen, die aufgetragen wurden. Nach den leckeren cicchetti , hausgemachten Vorspeisen auf venezianische Art, gab es frittierte Krabben und ein Hummerrisotto, eine Spezialität aus der Region. Selbstverständlich wurde zu allen Gängen Wein gereicht, ein fruchtiger Rotwein zu den Vorspeisen und dem Fleisch, ein leichter Weißer zu den Fischgerichten, und ein spritziger Prosecco zum Dessert.
Gegen Ende der Mahlzeit fühlte Ana sich vor Erschöpfung schwindlig. Sie bemerkte, wie Vittorio einem Diener ein Zeichen gab, einen Moment später spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Hinter ihr stand Paola und lächelte. „Komm! Das Fest ist fast vorüber, es ist Zeit, dass ich dir aus dem Kleid helfe.“
Vor Müdigkeit verstand Ana nicht gleich, was gemeint war, doch dann begriff sie: Ihre Trauzeugin wollte sie für die Hochzeitsnacht vorbereiten!
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und sie wurde wieder munter. Was würde in dieser Nacht geschehen? Doch dann fiel ihr ein, dass Vittorio einmal angedeutet hatte, er wollte ihr Zeit lassen, sich an ihn zu gewöhnen, und die Ehe nicht sofort vollziehen. Ob das noch galt? Eines jedoch wusste sie mit Sicherheit: Sie begehrte ihn.
Bereitwillig folgte sie Paola ins Obergeschoss des Schlosses bis in die Suite, die sie von nun an bewohnen würde. In einem großen Kamin im Schlafzimmer prasselte ein Feuer und erfüllte es mit angenehmer Wärme. Ein riesiges Himmelbett, auf dem sich Kissen und Decken aus Satin und Seide türmten, dominierte den Raum, Kerzenlicht tauchte ihn in gedämpftes Licht, und wunderschöne Blumensträuße zierten jede verfügbare Fläche.
„Woher wusstest du, wo diese Suite liegt?“, fragte Ana die Freundin, die bereits damit begonnen hatte, die sechsunddreißig Knöpfe im Rückenteil des Brautkleids zu öffnen.
„Einer der Diener hat es mir auf Vittorios Anweisung hin gezeigt. Dein Mann hat alles perfekt organisiert.“
Gleich darauf glitt das Kleid Ana von den Schultern, fiel zu Boden und bauschte sich um ihre Füße.
„Wie ‚vernünftig‘ wird eure Ehe eigentlich sein?“ Paola deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf die romantische Umgebung.
Ana lächelte befangen. „Es wird eine echte Ehe.“ Trotz aller Unsicherheit und Nervosität war sie bereit für das erste intime Zusammensein mit ihrem Mann. Mehr als das, sie sehnte sich danach.
„Liebst du ihn?“
Vorsichtig zog Ana die Nadeln aus ihrer Hochsteckfrisur. Dabei wandte sie der Freundin den Rücken zu. „Nein“, antwortete sie nach einer kleinen Pause. „Und das ist gut so.“
„Wieso?“
Sie wandte sich wieder zu Paola um. „Ich weiß, dass du aus Liebe geheiratet hast. Aber es geht auch anders. Vittorio und ich wollen zusammen glücklich werden, und wir schaffen es!“ Doch mittlerweile war sie davon nicht mehr überzeugt, und beim Anblick des mit Kissen überhäuften Betts und der flackernden Kerzen waren die logischen Argumente vergessen, mit denen Vittorio sie zur Annahme seines Antrags überredet hatte. Sie fragte sich, ob sie nicht doch einen schrecklichen Fehler begangen hatte.
„Ach ja, ich soll dir dieses Geschenk überreichen“,
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