Eine Braut fuer Lord Sandiford
eine rasche Entbindung wünscht. Ich glaube, dass ihn die schwere Geburt von Aubrey fast genauso mitgenommen hat wie mich. Er versucht bereits jetzt, mich zu schonen, und hätte mir beinahe verboten, heute Abend auszugehen."
Erneut betrachtete Clarissa sie mit Besorgnis. "Meinst du nicht, dass er Recht hat? Der Devonshire Ball soll zwar der prächtigste der Saison werden, aber solche Dinge kümmern dich ja nicht. Vielleicht solltest du doch zu Hause bleiben."
"Zufällig will ich gerade heute Abend unbedingt dabei sein." Sarah gab der Zofe zu verstehen, das Zimmer zu verlassen. "Ein lieber Freund, mein alter Nachbar aus Wellingford, Oberst Lord St. John Sandiford, ist vor kurzem mit seinem Regiment aus Paris zurückgekehrt. Nicholas hat ihn eingeladen, uns heute Abend zu begleiten."
"Ein Soldat – ausgezeichnet!"
"Er ist inzwischen aus der Armee ausgeschieden. Leider befindet sich Michael in einer ähnlich schwierigen Lage wie ich vor langer Zeit. Sein Besitz geht ihm verloren, wenn er nicht bald eine reiche Erbin heiratet."
Clarissa runzelte die Stirn; sie erinnerte sich dunkel an etwas. "Michael … hieß so nicht dein Liebster aus der Jugendzeit? Der Soldat, dem du sogar nach deiner Heirat noch geschrieben hast?"
"Ja." Sarah sah zu Boden. "Ich glaube, dass du dich an ihn erinnern wirst. Er kehrte kurz nach der Hochzeit nach England zurück. Ich hoffte damals, dass du ihn den hübschen Damen deiner Bekanntschaft vorstellen würdest."
Plötzlich stieg ein Bild vor Clarissas innerem Auge auf. Ein hell erleuchteter Ballsaal; Sarah, die sich einem breitschultrigen Mann in blauem Rock an die Brust warf; das ungläubige Gesicht des Soldaten. "Er war entsetzt, als er zurückkehrte und dich verheiratet fand, nicht wahr? Ihr wart doch verlobt gewesen, oder?"
"Nicht offiziell. Da keiner von uns beiden Geld hatte, wollten unsere Eltern eine Ehe zwischen uns nicht gestatten."
Clarissa betrachtete ihre Freundin, die immer noch zu Boden blickte. "Aber du hättest ihn geheiratet, wenn du allein die Entscheidung hättest treffen dürfen?"
"Ganz sicher. Ich war zu jener Zeit am Boden zerstört, aber du weißt, dass sich die Situation geändert hat." Sie sah lächelnd auf. "Nicholas ist ein Schatz, für den ich dem Himmel täglich danke."
Clarissa lachte auf. "Wir werden in diesem Punkt nie übereinstimmen." Sie betrachtete Sarahs Gesicht. "Wird es dir denn nicht schwer fallen, mitzuerleben, wie dieser Michael einer anderen den Hof macht?"
"Ganz und gar nicht. Er ist ein guter Mensch, der viele bewundernswerte Eigenschaften besitzt – sogar ohne den Glanz einer Husarenuniform. Auch wenn er jetzt härter wirkt, als ich ihn in Erinnerung hatte." Sie schüttelte mit nachdenklicher Miene den Kopf. "Ich glaube, dass wir Frauen uns leichter an die gegebenen Umstände gewöhnen – vielleicht weil wir unser Leben kaum jemals selbst in der Hand haben. Männer sind es gewohnt, das Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Nach allem, was Michael erlebt hat, muss es schwer für ihn sein, aus dem Krieg zurückzukehren und feststellen zu müssen, dass er gezwungen ist zu heiraten, ob er will oder nicht."
Clarissa schauderte. "Zum Glück muss ich mich dem Ganzen niemals unterwerfen. Ich bezweifle, dass ich es könnte."
"Wenn es wirklich nötig wäre, meine Liebe, würdest du das tun, was du tun müsstest, und den Mut aufbringen, das Beste daraus zu machen."
So wie du, dachte Clarissa, sagte aber nichts.
"Ich würde es gern sehen", fuhr Sarah fort, "wenn Michael eine sanfte, kluge und tugendhafte Frau heiraten würde, die seinen Panzer durchdringen und die Verbitterung lösen könnte, die ihn so anders hat werden lassen. Eine, die ihm hilft, sein Zuhause wieder herzurichten, und die ihn glücklich macht." Sie lächelte Clarissa an. "Ich zähle auf dich, wenn es darum geht, ihm die richtigen Kandidatinnen vorzustellen." Ein Anflug von Traurigkeit überschattete plötzlich ihr Gesicht. "Das ist alles, was ich jetzt noch für ihn tun kann."
Clarissa empfand mit beiden Mitleid. "Ich werde meine Strategie genau planen. Es wird sicher amüsant sein, zu erleben, welche Frau dein Vorbild von einem Mann wählen wird."
"Vorbild – Unsinn!" Sarah rümpfte die Nase. "Gehen wir nach unten. Die Herren sollten inzwischen ihren Portwein getrunken haben, und ich möchte Nicholas nicht die Gelegenheit geben, sich noch mehr Gründe zu überlegen, warum ich zu Hause bleiben soll."
Clarissa nahm ihren Umhang und ihr Retikül. "Du weißt, dass
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