Eine Braut fuer Lord Sandiford
Ganz London hat vor, dorthin zu kommen."
"Dann wird bestimmt auch Lady Barbara da sein", vermutete Sandiford. "Sie gehen doch, nicht wahr, Leutnant?"
Seine Augen leuchteten für einen Moment auf, aber Alexander lächelte nicht. "Ich weiß nicht, was Lady Barbara vorhat. Als ich sie besuchte, waren so viele Leute da, dass ich kein einziges Wort mit ihr allein zu wechseln vermochte." Er verzog das Gesicht. "Das war sicher das Werk der Countess. Vielleicht sollte ich mich doch für eine Weile aufs Land zurückziehen, wie es mir meine Mutter ständig vorschlägt." Er seufzte traurig. "Ich bin wirklich noch nicht ganz gesund und scheine hier sowieso nur meine Zeit zu vergeuden."
Die Verzweiflung in seiner Stimme brachte Sandiford auf. Verflucht sei diese Lady Barbara mitsamt ihrer hochmütigen Mutter und allen Frauen überhaupt! Sie waren wahrhaftig unzuverlässige Wesen, die echtes Gold, wenn sie es bereits in der Hand hielten, anscheinend nicht von einer schlechten Nachahmung zu unterscheiden wussten.
"Ich werde höchstwahrscheinlich auf den Ball gehen", erklärte er unvermutet und fügte hinzu: "Allerdings nur, wenn Sie mitkommen, Alexander. Auf keinen Fall sollten Sie so überstürzt das Feld räumen."
Der Leutnant lächelte grimmig und freudlos. "Wohl nicht. Auch wenn es das Beste wäre."
"Unsinn!" sagte der Oberst ermunternd. "Zeigen Sie sich auf ein paar Bällen. Tun Sie so, als ob Sie sich glänzend unterhalten würden, ob Sie nun mit Lady Barbara zusammentreffen oder nicht. Und ziehen Sie sich dann aufs Land zurück. Falls Ihre Herzdame tatsächlich so klug ist, wie Sie annehmen, werden Sie ihr schon bald fehlen, und sie wird sehnsüchtig auf Ihre Rückkehr warten."
Alexanders Augen leuchteten. "Meinen Sie wirklich? Ich glaube schon, dass sie noch die Verbindung zwischen uns spürt. Und ich bezweifle, dass es ihre Mutter wirklich schaffen würde, sie zu etwas zu zwingen, was sie in Wahrheit nicht möchte. Sie wird niemand heiraten, den sie nicht liebt. Bisher ist es ihr immer wieder gelungen, sich ihrer herrschsüchtigen Mutter entgegenzustellen." Er schaute auf seine nutzlos gewordene Hand, als ob er sie dazu überreden wollte, sich endlich wieder zu bewegen. "Vielleicht ist es wirklich das Beste, dem Ganzen etwas Zeit zu lassen."
"Treffen wir uns also in einer Stunde?" fragte Sandiford.
Der junge Mann nickte. "Gern. Und … ich danke Ihnen, Oberst."
Sandiford winkte ab und erhob sich. "Wenn ich mich noch umziehen will, muss ich jetzt gehen. Bis morgen, Harold."
Als er den Club verließ, richteten sich seine Gedanken auf den Ball, auf den er nun gehen wollte. Zweifelsohne würde es wieder eine sterbenslangweilige Angelegenheit werden; er würde bloß so lange bleiben, bis sich Alexander entspannt hatte und allein gelassen werden konnte.
Falls jedoch Miss Beaumont anwesend sein sollte, konnte er sich gleich auch noch nach ihrer Wunde erkundigen. Vielleicht würde er sich sogar überwinden, sie tatsächlich zu warnen. Mit ihrem Mut verdiente sie es schließlich, auf die bösartigen Redereien, die über sie kursierten, aufmerksam gemacht zu werden. Feige Stutzer, dachte er verärgert.
Von dieser Aufgabe einmal abgesehen, würde sich der Ball bestimmt wieder als reine Zeitverschwendung entpuppen. Nur seltsam, dass Sandiford bei diesen Aussichten innerlich mehr als erregt war, als er sich auf die Suche nach einer Mietdroschke machte.
9. Kapitel
Sandiford und Alexander trafen verspätet beim Ball ein und mussten daher zu ihrer Erleichterung nicht mehr in der Schlange der Gäste warten, um von den Gastgebern begrüßt zu werden. Er geleitete seinen Leutnant sofort in den überfüllten Ballsaal. Trotz der Menschenmenge gestattete es ihm seine Größe, nach einem kurzen Blick eine schlanke, in Weiß gekleidete Brünette zu entdecken, die inmitten einer Schar von Verehrern saß. Ihre Mutter, in königliches Purpur gehüllt und mit Pfauenfedern als Kopfschmuck, stand wachsam wie ein Hofhund in der Nähe.
Als ob die Countess Sandifords Blick gespürt hätte, sah sie plötzlich zu ihm hinüber. Für einen Moment befürchtete er, dass sie ihn nicht einmal grüßen würde; doch dann nickte sie ihm würdevoll zu, und ihre Federn auf dem Kopf zitterten dabei.
Lady Barbara entdeckte nun ebenfalls die beiden Freunde. Ein strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht, bis sich ihre Mutter zu ihr beugte und ihr etwas mit finsterer Miene ins Ohr flüsterte. Das Lächeln verschwand vom Gesicht der jungen Frau, und sie
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