Eine Braut fuer Lord Sandiford
Unterredung mit seiner Mutter hatte die Orientierungslosigkeit, die er seit der Rückkehr nach England spürte, noch verstärkt.
In den letzten Jahren war eine der wenigen Konstanten seines Lebens die Auseinandersetzung mit seiner Mutter gewesen – sein Kampf gegen ihre Verschwendungssucht und seine Bitterkeit ihr gegenüber wegen seiner verlorenen Hoffnungen. Es ärgerte und beschämte ihn, zugeben zu müssen, dass es ihn verunsicherte, dies jetzt aufgeben zu müssen, so sehr ihn ihre Annäherung andererseits auch freute.
Im Club gab er dem Diener seinen Hut, Mantel und Spazierstock und setzte sich in einen Sessel; es war ihm ein wenig unangenehm, schon wieder als Englemeres Gast hier zu speisen. Der Marquess erfüllte wahrhaftig sein Versprechen, ihm zu helfen, indem er ihn mit den einflussreichsten Männern Londons bekannt machte und ihm so möglicherweise einen Schwiegervater verschaffte.
Lautes Lachen unterbrach Sandifords Gedankengänge. Verstimmt blickte er auf und entdeckte eine Gruppe von modischen Gecken, die gerade das Zimmer betraten. Ihre durchdringenden, bereits etwas unklar klingenden Stimmen ließen vermuten, dass sie bereits ein Glas zu viel getrunken hatten.
"Du willst dich in die Liste einreihen, Markham?" fragte einer der Männer, der eine rotgold gestreifte Weste trug. "Das glaube ich kaum. Für den Geschmack der kleinen Füchsin bist du doch gar nicht lebhaft genug. Da wette ich mit dir!"
"Wenn er es auf die tugendhafte Füchsin abgesehen hat, schlage ich noch eine andere Wette vor", warf ein dünner Mann in einem braunen Rock ein. "Ich wette, wenn er sie heiratet, wird er nicht der Erste sein, der unsere schmackhafte Miss Beaumont ins Bett bekommt!"
Wieder lachten die Männer auf. Sandiford nahm es jedoch kaum wahr, seitdem er Clarissas Namen gehört hatte. Er wollte sich schon empört erheben, um den Herren die Meinung zu sagen, als er sich im letzten Augenblick anders besann. Er würde ihr durch einen zornigen Ausbruch wahrscheinlich noch mehr schaden, als wenn er sich ruhig verhielt.
"Du zweifelst an ihrer Tugendhaftigkeit?" wollte Markham wissen, dessen rundes Gesicht plötzlich verwirrt aussah.
"Hast du denn noch nichts gehört? Erst vor ein paar Tagen hat sie sich eine Eskapade geleistet, auf die sich eine wirkliche Dame niemals einlassen würde. Überrascht hat es mich allerdings nicht. Gewöhnlich sieht man sie ja an Grenvilles Arm, der so verrückt wie beschränkt ist. Das weiß man. Maxwell hat ihr in der letzten Saison den Hof gemacht. Obgleich sie ihn letztendlich abwies, gab sie ihm, wie er sagte, eine sehr süße Erinnerung an sie mit." Der Mann nickte seinen Bekannten mit einem bedeutungsvollen Blick zu.
"Sie würde einem das Bett schon anwärmen." Ein Bursche in einer giftgrünen Weste gab Markham einen freundschaftlichen Schlag auf den Oberarm. "Wenn sie erst einen oder zwei Erben in die Welt gesetzt hat, hast du ihr Geld und musst dir keine Sorgen wegen ihrer Tugendhaftigkeit mehr machen."
Mit zusammengebissenen Zähnen stand Sandiford empört auf. Er befand sich nur einen Schritt vom Gesicht des Mannes in der giftgrünen Weste entfernt und war versucht, ihm einen Kinnhaken zu verpassen, als ihm ein Diener in den Weg trat.
"Lord Sandiford? Lord Englemere möchte Sie sehen, Sir."
Diese Unterbrechung ließ ihn wieder zur Besinnung kommen. Mit einem gewissen Bedauern, um das Vergnügen gebracht zu werden, diesem lüsternen Mann einen Faustschlag zu versetzen, folgte er dem Lakaien.
Sosehr er die gerade belauschte Unterhaltung verabscheute, so musste er doch zugeben, dass ein Körnchen Wahrheit in den boshaften Bemerkungen steckte. Miss Beaumonts Benehmen war ungehörig, und er wusste nicht, ob die Episode am Covent Garden nicht sogar typisch für sie war. Wenn man ihren sinnlichen Körper, den sie in so viel versprechenden Kleidern zeigte, mit ihrem lebhaften Verhalten verband, dann war das – wenigstens für den männlichen Verstand – mehr als genug, um derart anzügliche Kommentare herauszufordern.
Irgendein männliches Mitglied ihrer Familie sollte sie schnellstmöglich zur Rede stellen und sie dazu ermahnen, ihr Verhalten zu ändern und ihre Kleider dezenter zu wählen, wenn sie nicht ihren Ruf ruinieren wollte.
Sandiford dachte noch immer über diese Angelegenheit nach, als er in den Speisesaal trat, wo er zu seiner Verblüffung nicht Englemere, sondern Harold Waterman vorfand, der auf ihn wartete.
Der erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. "Guten
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