Eine Braut fuer Lord Sandiford
als ob seine Worte keinen Sinn ergeben würden.
"Darf ich Sie um diesen Walzer bitten, Madam?" fragte er noch einmal.
Er war sich nicht sicher, ob sie ihm überhaupt antwortete. Doch als er ihren Arm nahm und sie zur Tanzfläche geleitete, folgte sie ihm ohne ein Wort des Widerstrebens.
Wie in jener Nacht am Covent Garden fühlte sich Sandiford auch diesmal wieder in ihren Bann gezogen. Der eigentümliche Wunsch, sie vor den Gefahren der Welt zu beschützen, beherrschte ihn, und er zog sie an sich, um sich mit ihr den Klängen der Musik hinzugeben.
Miss Beaumont schwieg während des gesamten Tanzes, und auch der Oberst bemühte sich nicht, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Ihre Augen spiegelten noch immer ihre aufgewühlten Gefühle wider, und er konnte ihr dies nicht verdenken. Schließlich hatte sie Recht: Die Männer, die sich über sie den Mund zerrissen, verhielten sich weit weniger tugendhaft, als das von ihr erwartet wurde. Doch da sie Männer waren, wurde ihnen das höchstwahrscheinlich nie vorgehalten, sondern verschaffte ihnen eher noch mehr Anerkennung. Selbst Clarissas Dienstboten hatten mehr Bewegungsfreiheit als sie. Wie doch die kleinlichen und engstirnigen Vorschriften der Gesellschaft einen so lebenslustigen Menschen wie Miss Beaumont ärgern mussten!
So wie er, Sandiford, in Zorn geriet, wenn er an die selbstverliebten Nichtstuer der Londoner Aristokratie dachte. Er spürte plötzlich eine unerwartete Verbindung zu Miss Beaumont – ganz so, als ob sie etwas gemeinsam hätten. Vom Standpunkt der Vernunft aus betrachtet, war das natürlich lächerlich.
Er hielt sie eng in seinen Armen. Ihre nach Rosenwasser duftenden Locken kitzelten ihn am Kinn, und ihr weicher Busen strich über seine Brust. Die Wärme ihrer Taille unter seiner Hand ließ ihn rascher atmen und für einen Moment sogar den Tanzschritt vergessen.
Kein Wunder, dass der Walzer als skandalöser Tanz bezeichnet wurde!
Zum Glück ertönte schon bald der letzte Takt. Als sie die Tanzfläche verließen, versuchte Sandiford seine Gedanken zu ordnen. "Ich möchte mich nun von Ihnen verabschieden, Miss Beaumont. Ich hoffe sehr, dass Sie die Neuigkeiten, die ich Ihnen mitgeteilt habe, in Betracht ziehen und Ihr Verhalten vielleicht darauf abstellen."
Clarissa hob den Kopf und sah ihn eisig an. "Ja, ich muss mein Verhalten ändern. Ich will Sie nicht aufhalten, Oberst. Ein pflichtbewusster Mann wie Sie darf sich nicht mit einer Frau zeigen, die mehr oder weniger als sittenlos gilt. Sollten Sie nicht vielmehr nach einer tugendhaften Jungfer aus bürgerlichen Kreisen Ausschau halten?"
Wieder traf ihn ihr Angriff unerwartet, und Wut stieg in Sandiford auf. Diese scharfzüngige Schlange!
"Wie liebenswürdig von Ihnen, mich daran zu erinnern. Verzeihen Sie mir, Sie mit einer Angelegenheit belästigt zu haben, die Sie nicht weiter zu interessieren scheint. Ihr Diener, Miss Beaumont." Mühsam drängte er seinen Zorn zurück und ging davon.
Clarissa verfluchte innerlich ihre spitze Zunge, während sie dem Oberst nachsah, der steifen Schrittes in der Menge verschwand. Nachdem er sich so feinfühlig und mutig gezeigt hatte, sie auf die verabscheuungswürdigen Gerüchte aufmerksam zu machen, hätte er Besseres verdient, als das erste Opfer ihrer Empörung zu werden. Außerdem musste sie endlich aufhören, ihn wegen seiner Suche nach einer reichen Ehefrau zu sticheln.
Aber was hatte er erwartet, nachdem ihre Ehrlichkeit sie bereits dazu veranlasst hatte, sich mehr oder weniger all ihrer Fehler vor ihm zu bezichtigen, auf die er sie wohl nur allzu gern hingewiesen hatte?
Während der körperlichen Nähe beim Tanzen hatte sie ihn als viel zu verführerisch empfunden, um sich danach eine weitere Standpauke anhören zu wollen. Es war wahrhaftig nicht ihre Absicht gewesen, bei der Berührung seines kraftvollen Körpers und seiner schönen Hände außer Atem zu geraten. Der Mann hielt sie schließlich für eine törichte Gans und verachtete ihren Stand.
Und dennoch – seine Augen! Dieser Soldat, dessen markantes Gesicht noch immer die Narbe von einer französischen Lanze aufwies, hatte sich für sein Land in Gefahr begeben, während die meisten Männer, die sie sonst kannte, bis zum Mittag im Bett blieben und die ganze Nacht über spielten und tranken. Als er zu Armut und Liebeskummer zurückkehren musste, gab sich Lord Sandiford jedoch keineswegs dem Alkohol hin, sondern machte sich sofort daran, seine Lage zu verbessern. Er war tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher