Eine Braut fuer Lord Sandiford
"Bitte verzeihen Sie mir, Miss Beaumont. Verzeihen Sie mir meine Gedankenlosigkeit und, dass ich an Ihren guten Absichten gezweifelt habe. Und nun will ich Sie nicht länger aufhalten."
Er war so verwirrt, dass er nicht mehr wusste, was er tat. Denn als Miss Beaumont zögernd, beinahe schüchtern, eine Einladung zum Frühstück bei sich aussprach, antwortete er, ohne nachzudenken, mit einem "Ja".
17. Kapitel
Sie sprachen kaum miteinander, während sie zum Grosvenor Square ritten. Beide waren sie damit beschäftigt, ihre erschöpften Pferde durch die Menge der Fuhrwerke, Händler und Kutschen zu führen, welche die Straßen inzwischen verstopften.
Clarissa war für diese Ablenkung mehr als dankbar. Jeder Nerv ihres Körpers war sich der Anwesenheit des Reiters neben ihr überdeutlich bewusst. Sie hatte Diablo an diesem Morgen bis an seine Grenzen getrieben, um ihre Verzweiflung für einen Moment vergessen zu können. Dann hatte sie festgestellt, dass der Oberst sie verfolgte.
Wie die Motte, die vom Schein der Flamme angezogen wurde, vermochte auch sie nicht, der Versuchung zu widerstehen. Doch im Gegensatz zur Motte war sie sich der Gefahr, die das Feuer für sie bedeutete, durchaus bewusst.
Deshalb schlug sie Lord Sandiford auch vor, sie zum Frühstück nach Hause zu begleiten, auch wenn sie dabei wie ein dummes Schulmädchen stotterte.
Noch immer spürte sie seine Hände auf ihrer Taille, als er ihr vom Pferd geholfen hatte. Der Kuss, den er sich beinahe gestohlen hätte, schien noch zwischen ihnen in der Luft zu hängen – wie ein Wunsch, aber auch wie eine Bedrohung. Da Clarissa wusste, dass sie niemals mehr als eine kurzzeitige Ablenkung für ihn darstellen konnte, wäre es verhängnisvoll, mit der Anziehungskraft, die zwischen ihnen bestand, zu spielen.
Doch der Teufel ritt sie und verlangte nach diesem Kuss.
Verflixt, war sie nicht ohnehin schon viel zu weit gegangen? Sandiford würde ihr nach einem Kuss entweder auf ewig aus dem Weg gehen oder voll Verachtung auf sie herabsehen. Doch sie hätte zumindest eine Erinnerung an ihn, an der sie sich für den Rest ihres leeren Daseins erwärmen könnte.
Einige Minuten vergingen damit, die Pferde dem Reitknecht zu übergeben. Doch dann saßen sie allein in dem kleinen Salon, der für das Frühstück vorgesehen war. Clarissa wusste kaum, welche Belanglosigkeiten sie von sich gab. Heute endlich würde sie seine Lippen spüren. Bald.
Obgleich sie innerlich zu aufgewühlt war, um beurteilen zu können, ob die Gesprächsbemühungen des Obersts ebenso erzwungen waren wie die ihren, merkte sie doch, dass auch er die unwiderstehliche Kraft spürte, die sie unweigerlich aufeinander zusteuern ließ.
Irgendetwas nahm sie wohl zu sich, denn James, einer der Diener, räumte nun ihren leeren Teller ab. Was Lord Sandiford gegessen hatte, wusste Clarissa genau, da sie aufmerksam beobachtete, wie er sich mit seinen schönen Händen Toast, Eier und Speck nahm und jeden Bissen langsam zu seinem Mund führte. Dieser Mund, der so verlockend war!
"Möchten Sie den Garten sehen? Er ist im Augenblick besonders hübsch", meinte sie nach einer Weile und bat ihn zu den französischen Glastüren, die in den Garten hinausführten.
Sandiford folgte ihr wortlos.
An der Tür berührte er für einen kurzen Moment ihren Arm. Clarissas Zweifel, ob sie das Richtige tat, lösten sich in Luft auf. Auch er musste die Hitze spüren, die in der Luft lag. Heute würde er nicht widerstehen.
Clarissa dankte innerlich ihren Vorfahren, die den Stadtgarten bereits für ein trautes Schäferstündchen hatten anlegen lassen. Nachdem sie über die kleine Terrasse gegangen waren, schritten sie an hoch aufragenden Glyzinien vorbei. Die Ziersträucher schirmten den hinteren Teil des Gartens vom Haus ab. Ein Stück weiter stand, von einer Hecke verdeckt, eine Bank.
Schweigend ging Sandiford hinter Clarissa her. Sie hörte, wie die Vögel sangen und die Reitstiefel des Obersts auf den Steinplatten widerhallten. Der süße Duft von Iris stieg ihr in die Nase und versetzte sie in einen leichten Schwindel.
Nachdem sie hinter die Hecke getreten waren, blieb Lord Sandiford plötzlich stehen. "Miss Beaumont", sagte er mit belegter Stimme.
Sie schaute voll Verlangen in seine blauen Augen. Er würde sie endlich küssen.
"Miss Beaumont …", begann er von neuem.
"Clarissa", flüsterte sie. Sie zog ihre Jacke aus und hielt für einen Moment seinem Blick stand. Dann legte sie den Kopf zurück und schloss die
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