Eine Braut fuer Lord Sandiford
Sandiford vorstellen wollte, der ihr schweigend gefolgt war, sah Lady Beaumont sie besorgt an.
"Ist alles in Ordnung, meine Liebe? Du siehst bedenklich erhitzt aus."
"Ja, es ist erstaunlich heiß heute, Mama. Darf ich dir Oberst Lord Sandiford vorstellen, der beim Zehnten Husarenregiment gedient hat und erst vor kurzem nach London zurückgekehrt ist?"
"Ist das der charmante junge Soldat, von dem du mir so begeistert erzählt hast? Es ist mir …"
"Nein, Mama, das war ein anderer."
Mit verwirrter Miene reichte Lady Beaumont dem Oberst die Hand. "Es ist mir eine Freude, Mylord."
"Madam", erwiderte Sandiford und verbeugte sich.
Clarissa wusste nicht, was sie sagen sollte. Auf keinen Fall wollte sie dem Oberst ins Gesicht schauen.
Lady Beaumont, die ohne ihre Brille nicht gut sehen konnte, versuchte den Oberst genauer zu betrachten. "Ja, es muss wohl warm sein, Clarissa. Auch Lord Sandiford scheint erhitzt zu sein. Kommt, gehen wir ins Haus. Möchten Sie nicht eine Erfrischung zu sich nehmen, Oberst?"
"Das ist sehr freundlich von Ihnen, Madam. Aber ich … ich habe leider noch etwas zu erledigen. Vielleicht ein anderes Mal. Jetzt muss ich mich von den Damen verabschieden."
Ein anderes Mal? Nach diesem Zwischenspiel wollte er sich nun einfach wortlos aus dem Staub machen?
Das kam gar nicht infrage! Sie setzte ein höfliches Lächeln auf und nahm Sandiford am Arm. "Ich begleite unseren Gast hinaus, Mama. Könntest du Timms bitten, nachzusehen, ob Stebbins sich um Diablo gekümmert hat? Ich befürchte, er hat sich heute Morgen eine Sehne gezerrt."
"Gern, meine Liebe. Ich werde uns auch Limonade kommen lassen. Es ist nämlich nicht ungefährlich, sich so zu erhitzen."
Das wusste Clarissa nur zu gut. Bedauerte es der Oberst bereits, sich so seiner Leidenschaft hingegeben und ihr sein Begehren gezeigt zu haben? Dieser Gedanke erschien ihr beinahe unerträglich. Doch sie wollte herausfinden, was tatsächlich in ihm vorging, ehe sie ihm gestattete, zu gehen.
Als sie allein in der Eingangshalle standen, gebot Sandiford ihr mit einer Handbewegung, zu schweigen. "Lassen Sie mich bitte sprechen, Miss Beaumont. Unser Benehmen …" Seine Augen wanderten zu ihren Brüsten, und sie konnte beinahe spüren, wie sein Blick ihr Kleid durchdrang. "Das heißt, mein Benehmen im Garten war unverantwortlich. Ich … ich kann keine Worte finden, um mich zu entschuldigen."
Lord Sandiford stand so aufrecht und steif wie eine alte Jungfer da, die man beim Weihnachtsball unter dem Mistelzweig auf die Wange geküsst hatte. Das Bedauern, vor dem Clarissa sich fürchtete, war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Er mochte sie bereits vor diesem Ereignis verachtet haben; aber nun war sie überzeugt davon, dass er sie geradezu abstoßend fand.
Ohne überhaupt nachzudenken, streckte sie die Hand nach ihm aus. Sandiford zuckte zurück. Er begehrte sie – das sagten seine anklagenden Augen nur allzu deutlich –, doch so würde er jede Frau begehren, die sich willig zeigte, seinem Verlangen nachzugeben. Nachdem die Leidenschaft nun abgekühlt war, ekelte er sich bestimmt vor ihrer Berührung, denn sie hatte sich genauso gezeigt, wie ihr das die Männer im Club nachgesagt hatten.
Clarissa fühlte sich plötzlich schwach und hilflos. Doch auch diesmal fand sie Zuflucht in ihrem Zorn. Wenn sie ein Messer zur Hand gehabt hätte, wäre Sandiford jetzt vermutlich nicht mehr am Leben.
"Sie müssen sich nicht entschuldigen", meinte sie mit zusammengebissenen Zähnen. "Ich habe schließlich fast darum gebeten, nicht wahr? Doch das Ganze hat auch etwas Gutes. Stellen Sie sich nur vor, wie amüsant es Ihre Freunde im 'White's Club' finden werden, wenn Sie ihnen erzählen, wie Miss Beaumont bei Ihrem Kuss gestöhnt und geseufzt hat. Diese Geschichte sollte sie über Wochen unterhalten."
Sandiford wurde bleich. Für einen Moment befürchtete sie, dass er ihr ins Gesicht schlagen würde. Stattdessen drehte er sich auf dem Absatz um, ging zur Haustür, riss sie auf und verschwand.
Nun, zumindest hatte sie ihm ihre Meinung mitgeteilt. Mit bebenden Lippen und zitternden Händen stand Clarissa da und wusste, dass sie es nicht schaffen würde, sich jetzt mit ihrer Mutter im Plauderton zu unterhalten. All ihre Hoffnung war gerade auf immer in tausend Stücke zerbrochen.
Sandifords Zorn hatte ihr mehr gesagt als alle Worte. Er hasste sie dafür, dass sie seine Selbstbeherrschung ins Wanken gebracht hatte. Nun würde sie ihn niemals wieder sehen.
Es wäre
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