Eine Braut fuer Lord Sandiford
vorstellen, dass er eine schlimme Zeit durchgemacht hat."
Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher. "Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Er wurde unter Uxbridges Obhut verletzt, nicht wahr?"
"Ja, er ritt in Ridgebys Truppe und …" Plötzlich hielt Sandiford inne. "Sie wissen etwas über die Schlacht?" fragte er. Es überraschte ihn, dass eine so schöne und gesellschaftlich angesehene Dame sich für Militärangelegenheiten überhaupt interessierte.
"Ja, das tue ich, wie all die anderen Engländer auch, die täglich davon im 'Tribune' gelesen haben. Ich kann nämlich lesen, wissen Sie."
Er lief rot an. "Ich scheine Sie ständig zu unterschätzen, Miss Beaumont", meinte er kleinlaut.
"Sie wissen gar nicht, wie sehr." Clarissa lächelte, und er spürte, wie ihm heiß wurde.
"Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Miss Beaumont", sagte Sandiford und versuchte, seine Gedanken zu sammeln. "Bitte versuchen Sie, Alexander nicht zu sehr zu betören. Ein Mann mit Gefühl kann Ihnen nur bis zu einem gewissen Punkt widerstehen. Er hat schon sehr viel gelitten, und ich will nicht erleben müssen, wie er noch einmal verletzt wird."
"Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen schwören würde, dass ich ihm nicht schaden will?"
Er betrachtete ihr ernstes Gesicht. "Ich glaube Ihnen", erwiderte er. Wieder hielten ihn ihre Augen gefangen, und er spürte, wie das Verlangen nach ihr in ihm wuchs. Eine launenhafte Miss Beaumont war bereits verwirrend; doch eine zartfühlende war nahezu unwiderstehlich.
"Nimm dich zusammen", flüsterte er sich zu. So bezaubernd sie auch sein mochte, so war sie – die Ballkönigin – doch nicht dazu geschaffen, in einem halb verfallenen Herrenhaus auf dem Land zu leben und ihre teure Garderobe durch einfache Hauskleider zu ersetzen.
"Wenn ich Leutnant Standish behilflich sein konnte, dann würde mich das sehr freuen. Wir alle haben aus dem mutigen Einsatz der Soldaten großen Nutzen gezogen und können dafür gar nicht genug danken." Sie seufzte. "Ich wünschte manchmal, ich wäre ein Mann, so dass auch ich England dienen könnte."
Er starrte sie ungläubig an. Es war eine absurde Vorstellung, dass sich eine so hinreißende Frau in einen Mann verwandeln wollte, nur um freiwillig an einem so schrecklichen Erlebnis wie einer Schlacht teilnehmen zu können.
"Danken Sie Gott, dass Sie nicht dabei waren."
"Wie können gerade Sie, einer der tapferen Männer, die Napoleon für immer besiegt haben, so etwas sagen?"
"Stellen Sie sich eine Schlacht denn als etwas so Erstrebenswertes vor? Haben Sie denn nicht die lange Liste der Gefallenen gesehen? Können Sie sich vorstellen, welche Qual ein blutiger Stumpf anstelle eines Arms ist und welches Entsetzen der Todesschrei eines Pferdes? Wissen Sie, wie man sich fühlt, wenn man über ein Feld voll entstellter Toter reitet, deren Uniformen vor Blut und Dreck nicht mehr zu erkennen sind? Tausende und Abertausende von Leichen …"
Plötzlich hielt Sandiford inne. Ihre smaragdgrünen Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen, und sie wagte kaum mehr zu atmen, während sie einem Bericht lauschte, der nicht für die Ohren einer Dame ihres Standes bestimmt war. "Vergeben Sie mir, Madam. Das war unverantwortlich von mir. Ich hätte Ihnen das nicht schildern dürfen."
Sie holte tief Atem. "Ich vermute, dass Sie mit jemand darüber sprechen müssen; sonst verlieren Sie noch den Verstand. Nein, ich bin nicht so töricht, anzunehmen, dass es erstrebenswert ist, bei einer Schlacht dabei zu sein. So etwas muss entsetzlich sein, so grauenvoll, dass ich nicht begreife, wie man es überhaupt über sich bringt, Krieg zu führen. Und doch – sich einem so verzweifelten Unterfangen zu verschreiben, Seite an Seite mit anderen für etwas zu kämpfen, an das man glaubt – das ist ruhmreich."
Miss Beaumonts Worte verschlugen Sandiford die Sprache. Auch wenn sie es niemals erlebt hatte, so verstand sie doch, worum es ging. Er spürte deutlich, dass ihre Worte sie einander noch näher gebracht hatten.
Dann legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm. "Ich bewundere Sie sehr, Oberst."
Etwas in ihm, das seit langem verschlossen gewesen war, schien sich zu öffnen und erfüllte auf einmal sein ganzes Wesen mit neuem Leben. Sandiford brauchte seine gesamte Willensstärke, um nicht Clarissas Hand zu ergreifen und sie endlich in seine Arme zu ziehen.
Geh fort von ihr , meldete sich die Stimme der Vernunft. Diese Frau kann nicht die deine werden. Geh fort, ehe du es nicht mehr vermagst.
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