Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
während ich mich in Richards Armen wiederfinde.
Nie hätte ich gedacht, dass das noch einmal passieren könnte, und schon gar nicht heute.
Richard ist vermutlich genauso erschüttert wie ich.
Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, ehe er ihn ausnahmsweise einfach wieder schließt. Mit ihm um Sals willen tanzen zu müssen, wird dadurch wettgemacht, dass ich ihn sprachlos erleben darf.
Alle starren uns an, also ringe ich mir ein Lächeln ab.
»Glückwunsch«, sage ich zu ihm.
Richard reißt die Augen vor Überraschung noch weiter auf.
»Ich hoffe, ihr beide werdet sehr glücklich zusammen. Nein!«, schneide ich ihm das Wort ab, als er den Mund öffnet. »Ich meine es ernst. Du darfst dich glücklich schätzen, Richard Trevelyan. Sally-Anne ist einer der wertvollsten Menschen, die ich kenne, und ich hoffe von ganzem Herzen, ihr habt ein schönes Leben.«
»Ja, äh, danke.« Richard ist offensichtlich überrumpelt. »Es ist nett zu wissen, dass du so … äh … großherzig sein kannst.«
Ich nicke so huldvoll wie nur möglich, übernehme die Führung und dirigiere ihn reichlich unelegant in Richtung meiner Schwester.
»Ach, und noch etwas …«, flüstere ich, als ich ihn Sally-Anne übergebe. »Falls du ihr auch nur einmal, ich wiederhole, ein einziges Mal, wehtust, werde ich persönlich dafür sorgen, dass du Klein -Richard«, ich deute mit dem Finger auf seinen Hosenstall, »fortan in der Jackentasche statt in der Unterhose trägst.«
Ich beobachte, wie Sal und Richard sicher auf der Tanzfläche ankommen, kehre dann in meine dunkle Ecke zurück, sichere mir den Rest des Champagners und halte auf die Flügeltüren zu, die aus dem Festsaal auf die lange, gepflasterte Terrasse führen. Plötzlich habe ich das dringende Bedürfnis nach frischer Luft.
Ich schlüpfe über die schwach erleuchtete Terrasse, auf der hier und da ein Pärchen den herrlich lauen Abend genießt, und tauche in der warmen, feuchten Dunkelheit des Gartens unter. Ich husche über den Rasen wie ein entflohener Sträfling, bis ich schlitternd den See an seinem Ende erreiche. Es ist ein mit großer Sorgfalt angelegter See, dem es nicht gestattet ist, sich wild, frei und in dramatischer Schönheit auszudehnen. Zu offensichtlich von Menschenhand geschaffen. Wollen alle Menschen die Natur kontrollieren? Ich will lieber wild, frei und von dramatischer Schönheit sein.
Ich teile das Schilf, lasse mich am Rand des Wassers zu Boden fallen, streife die Schuhe ab und tauche meine Füße ins tintenschwarze Wasser. Kleine Wellen breiten sich aus. Ich versuche, sie zu zählen.
»Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich, er liebt mich nicht … Mist!« Weiter sehe ich nicht. Das bedeutet vermutlich, er liebt mich nicht, aber das ist mir egal, weil ich ihn auch nicht liebe. Nur schade, dass meine Schwester es tut.
Es ist passiert.
Sally-Anne hat Richard geheiratet.
Ich habe es ernst gemeint, was ich zu ihm gesagt habe. Ich wünsche ihnen Glück. Genau genommen wünsche ich es ihnen nicht nur, sondern ich werde wahrscheinlich auch verdammt häufig dafür beten, dass sich für die beiden alles zum Guten wendet.
Zugegeben, ich liebe Richard nicht, aber ich liebe Sal.
Ich sehe zum klaren, dunklen Himmel auf und versuche, den größten Stern zu entdecken. Mein Kopf dreht sich, als ich ihn in den Nacken lege und zum Himmel hinauf starre, sogar so sehr, dass ich mich hinlegen muss. Meine Füße und Knöchel baumeln noch immer im Wasser, und mein Kopf liegt im Gras, das zwar etwas feucht, aber immer noch warm ist von den letzten Sonnenstrahlen, wie Kleidungsstücke, die man etwas zu früh aus dem Trockner zieht.
Plötzlich fällt ein Schatten auf mein Gesicht, dann versperrt ein dunkler Umriss mir den Blick auf den großen Wagen.
»Was machst du denn hier?«, erkundigt sich eine vertraute Stimme amüsiert.
»Wellen zählen statt Blütenblätter«, murmele ich. »Zumindest bis eben. Jetzt warte ich auf eine Sternschnuppe.«
»Und warum?«
»Um mir wahre Liebe und Glück zu wünschen«, sage ich und denke an Sally-Anne.
»Das wünschst du dir?«
»Tun wir das nicht alle?«, sinne ich. »Aber ausnahmsweise habe ich mir das nicht für mich selbst gewünscht.«
Ich sehe zu Alex auf, der über das Wasser blickt wie eine liebevoll geschnitzte Galionsfigur am Bug eines Schiffes.
»Sehe ich da etwa ein Stirnrunzeln«, murmele ich, betäubt vom Alkohol. »Haben deine Wellen auch mit einer geraden Zahl geendet?«
»Wie bitte?«
»Schon gut,
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