Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
man es eigentlich gar nicht, während man ständig den Speichel schluckt, der sich im Mund sammelt.
Er fängt an, über die Hochzeitsfeier zu sprechen, doch ich bin viel zu gefangen von meinem Unbehagen, um richtig zuhören zu können. Die Atmosphäre ist so angespannt, dass man beinahe glauben könnte, ein Summen zu vernehmen.
»Kaffee?«, platze ich plötzlich heraus, als meine Gedanken sich endlich etwas Normalem zuwenden.
Ich lasse ihn einfach auf dem Sofa sitzen, mitten im Satz, und flüchte in die Küche. Ich versuche, die Kaffeemaschine anzuwerfen, doch meine Hände zittern. Verstohlen überprüfe ich mein Gesicht in der spiegelnden Rundung des Edelstahlkessels. Meine Augen sind aufgerissen, die Pupillen riesig. Sagt man nicht, dass die Pupillen sich weiten, wenn man jemanden ansieht, den man attraktiv findet?
»Fliss?«
Beim Klang seiner Stimme zucke ich zusammen.
»Ich bin in einer Minute bei dir …«
»Fliss.«
»Ich mache nur schnell Kaffee.«
»Ich will keinen Kaffee.«
Ich drehe mich um. Er steht im Türrahmen.
»Hör mal, es bringt doch nichts, wir müssen darüber reden, was am Samstagabend passiert ist.«
Ich bin stark versucht, alles abzustreiten und so zu tun, als sei der ganze Abend im Alkoholdunst versunken, als könnte ich mich an rein gar nichts erinnern, doch er sieht so betroffen aus, dass ich es nicht übers Herz bringe.
»Zerbrich dir nicht den Kopf.« Ich versuche, ihn strahlend anzulächeln. »Das war doch nur ein Kuss.«
»Das ist ja das Problem. Es war mehr als nur ein Kuss, und wir beide wissen es.« Er stockt und wendet den Blick ab, ehe er mich wieder ansieht.
»Es mag sich total verrückt anhören. Ich meine, ich kenne dich kaum. Ich weiß auch nicht, woran es liegt. So etwas ist mir vorher noch nie passiert. Da ist nur dieses …« Er zuckt die Achseln und ringt nach Worten. »Es ist einfach da, dieses Gefühl, dass ich unbedingt mit dir zusammen sein muss. Geht es dir nicht auch so?«
Ich sehe zu Boden. Von wegen innerer Konflikt!
»Liebe Kummerkastentante, ich habe bei der Feier, die eigentlich meine Hochzeit sein sollte, den Mann meiner Träume getroffen, doch leider ist er verheiratet. Ich habe versucht, ihn zu vergessen, doch ich kriege ihn nicht aus dem Kopf. Ich denke an ihn, ich träume von ihm, und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, will ich mich auf ihn stürzen und ihm die Kleider vom Leib reißen. Was soll ich tun?«
Angriff ist die beste Form der Verteidigung, beschließe ich.
»Warum bist du dann vor mir weggelaufen?«, frage ich vorwurfsvoll. »Ich küsse dich, und du läufst weg. Wohl kaum das Richtige für mein Ego …«
»Fremdgehen ist nicht gerade meine Stärke.«
»Nein, das überlässt du wohl deiner Frau«, stichele ich, ohne nachzudenken.
Er schweigt.
In Gedanken verpasse ich mir eine Ohrfeige. Und zwar eine kräftige.
»Außerdem kann man einen Kuss wohl kaum als Fremdgehen bezeichnen«, stoße ich zornig hervor, um meine Verlegenheit zu überspielen.
»Nein«, stimmt er mir zu. »Nur das, was nach dem Kuss kam.«
»Nach dem Kuss kam gar nichts mehr. Du bist abgehauen, erinnerst du dich?«
»Und als ich zurückkam, hattest du genau dasselbe gemacht.«
Er kommt auf mich zu.
Ich weiche zurück.
Ich spüre, wie die Tischkante sich in meine Wirbelsäule bohrt. Plötzlich interessiere ich mich brennend für die Bodenfliesen.
»Das sollte uns etwas sagen.«
Ich flüstere nur, doch er steht so dicht vor mir, dass er mich deutlich hören kann.
»Normalerweise geht man Leuten aus dem Weg, die man nicht mag.«
»Oder Leuten, die man zu sehr mag«, antwortet er leise.
Sein Gesicht ist so nahe. Ich kann den weichen Flaum auf seiner vollen Oberlippe sehen. Meine Sinne sind so geschärft, dass ich die Wärme seiner Haut spüren kann, obwohl er mich gar nicht wirklich berührt.
»Fliss?« Seine Stimme klingt leise, unsicher, fragend.
Er streicht eine einzelne Haarsträhne aus meinem Gesicht. Als er mich berührt, wird mir klar, dass es zwecklos ist. Ganz egal, wie sehr ich dagegen ankämpfen will, ich kann nicht. Allein seine Fingerspitzen zu spüren, setzt mich unter Strom. Sein Gesicht ist so nahe, meine Sinne sind plötzlich hellwach …
Er ist hinreißend.
Ich will ihn. Und wie.
Er ist verheiratet.
Wie kann etwas so Falsches sich so richtig anfühlen?
Sein Kuss ist hauchzart. Dieses Mal lasse ich die Augen auf. Ich will mich an jede noch so kleine Einzelheit erinnern.
Ich lasse meine Finger über sein Gesicht gleiten wie ein
Weitere Kostenlose Bücher