Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
vom Wind vor meinen Füßen hergetrieben.
Dieser Sommer war sicher denkwürdig. Wir erwarten Sally in etwas mehr als einer Woche zurück, und dann wird Dad die Bombe vor einer ahnungslosen Nation platzen lassen. Mein Kopf dreht sich noch immer von dieser Neuigkeit. Ich war nicht überrascht, aber gleichzeitig doch irgendwie – falls Sie wissen, was ich meine.
Ich weiß, wie unglücklich mein Vater all die Jahre war – ich meine, Mutter macht mir das Leben schon zur Hölle, obwohl ich nicht einmal mehr dort wohne –, doch obwohl ich immer damit gerechnet habe, dass Dad schließlich eine andere Frau finden würde, war es doch ein Schock, als es wirklich passiert ist.
Das Leben ist so verwirrend. Vermutlich will ich drauf hinaus, dass man nie so gut auf die Wirklichkeit vorbereitet ist, wie man es sich immer einbildet. Heute Morgen habe ich eine Karte aus Mauritius erhalten. Kristallblaues Wasser, weißer Strand, wiegende Palmen, das perfekte Paradies. Sally schreibt, das Wetter sei traumhaft und das Hotel super, und dass sie an mich denkt, was immer das auch heißen mag.
Ich denke die ganze Zeit an Alex, obwohl ich weiß, dass ich es nicht sollte. Beim Gedanken daran, was ich getan habe, würde ich am liebsten vor Scham im Erdboden versinken, doch hinter diesem Gefühl verbirgt sich noch etwas anderes. Dieses erste schwache Beben der Erregung, der Erkenntnis, dass man jemanden gefunden hat, jemanden, der das Leben wirklich verändern könnte.
Eisern versuche ich, mir einzureden, ich sei nicht an ihm interessiert, aber ich glaube mir selber nicht. Eisern versuche ich, mir einzureden, er sei nicht an mir interessiert, was ich leider weitaus glaubwürdiger finde. Was haben wir denn schon gemeinsam? Einen Abend gegenseitiger Geständnisse und einen wunderbaren, obgleich reichlich trunkenen Kuss. Wohl kaum genug für die allumfassende, unsterbliche Liebe, die ich bereit bin zu fühlen.
Verstehen Sie, das ist das Gefühl, das sich angepirscht und sich mit dem Zartgefühl einer Barbara Cartland auf mich gestürzt hat.
Liebe.
Würde Sally mich fragen, »Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?«, müsste ich ihr jetzt antworten, »Na ja, fast«. Zählt Liebe auf den dritten Blick auch? Warum trifft Amor immer dann, wenn er es lieber nicht tun sollte? Ich glaube, Alex hat es mir angetan. Alex ist mit Katherine verheiratet. Katherine ist in Richard vernarrt. Richard ist mit meiner Schwester verheiratet. Warum ist das Leben so kompliziert?
Muss ich wirklich in dieser Ménage à treulos aus Richard, Sally-Anne und Katherine noch weiter herumstochern?
Ich rede mir ein, dass es nicht Liebe ist. Ich bin besessen, entweder das, oder ich bin total bescheuert. Am besten, ich vergesse das Ganze einfach und lebe mein Leben weiter. Ich bin nicht verliebt. Obwohl es immer heißt, Liebe sei wie eine Droge, und ich schreckliche Entzugserscheinungen bekomme.
Nächste Woche fängt die Schule wieder an. Zeit, einem anderen Trauma ins Gesicht zu sehen: Caroline. Als ich nach Hause komme, ist wieder mal eine Nachricht von ihr auf dem Anrufbeantworter. Seit jenem Abend hat sie verzweifelt versucht, mich zu erreichen. Zwar habe ich wegen ihr ein schrecklich schlechtes Gewissen, aber ich werde sie trotzdem nicht zurückrufen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Der Gedanke daran, wie sie auf dem Boden gelegen hat, die Hände in Eloise Gray vergraben, schockiert mich immer noch.
Das also war das Geheimnis ihrer glücklichen Ehe.
Freie Liebe.
Und was haben sie sich immer über Maura lustig gemacht, weil sie so auf die Siebzigerjahre steht!
Allmählich frage ich mich, ob die Worte »glücklich« und »Ehe« überhaupt vereinbar sind – wenn man so an Caro und David denkt, an Mutter und Dad, Sasha und Niall, Sally-Anne und Richard, Kat und Alex … Alex.
Immer wenn ich an ihn denke, werde ich traurig. Wenn das Liebe ist, wer braucht sie dann?
Da ich auf gewisse Weise zu Perversionen neige, ist mir bei diesem scheinbaren Herbstbeginn nach Frühjahrsputz zumute. Depressionen lösen bei mir eine Renovierungswut aus. Meiner Wohnung bleibt nichts erspart.
Es ist der Samstag nach der Hochzeit. Letzte Woche um diese Zeit war ich dabei, mich volllaufen zu lassen und der Lächerlichkeit vor jemandem preiszugeben, dessen Meinung mir wirklich etwas bedeutet und der mich nicht für einen betrunkenen Schwachkopf halten soll.
Heute bin ich nicht zu bremsen. Da ich unfähig bin, mein Leben effizient zu gestalten, habe ich beschlossen,
Weitere Kostenlose Bücher