Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
ich uns jetzt viel näher stehen. Obwohl wir immer gut miteinander klargekommen sind, haben wir uns gegenseitig als selbstverständlich betrachtet. Seit Dad weg ist, brauchen und schätzen wir uns noch ein wenig mehr.
Mutter macht Sally wahnsinnig. Nachdem Sally zu Richard gezogen ist, sieht es aus, als wolle Mutter es ihr gleichtun und hat sich quasi bei ihnen breitgemacht. Das Gästezimmer ist nicht länger Gästezimmer, sondern Mutters Zimmer. Jedes Mal, wenn sie zu Besuch kommt, was in den drei Wochen, seit sie aus den Flitterwochen zurück sind und Vater ausgezogen ist, etwa neunzig Prozent der Zeit der Fall war, deponiert sie etwas anderes dort.
Sie ist wie eine umgekehrte Kleptomanin, die Besitztümer in der Reisetasche mitbringt. Es ist schon so weit, dass Sally sie am liebsten jedes Mal filzen würde, wenn sie zur Tür hereinkommt, um sicherzugehen, dass sie nicht wieder versucht, etwas hereinzuschmuggeln. Eine ganz hinterhältige Methode, sich irgendwo einzuschleichen.
Sally hat ihrerseits begonnen, sich in meine Wohnung zurückzuziehen, nur um ihr zu entkommen.
»Richard denkt wahrscheinlich, er hätte uns beide geheiratet«, seufzt sie häufig. »Ich weiß ja, dass Mutter sich einsam fühlt, aber wir sind erst seit fünf Wochen verheiratet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm die Idee gefällt, unser Gästezimmer bereits jetzt in eine Einliegerwohnung für die Großmutter zu verwandeln.«
Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mich nicht gut genug mit Mutter vestehe, um einen Teil der Last von Sallys Schultern zu nehmen. Doch selbst wenn ich sie einladen würde, das Wochenende bei mir zu verbringen, würde sie mich wahrscheinlich nur auslachen. In unserer Beziehung ist es nicht vorgesehen, etwas zusammen zu unternehmen. Zumindest nicht freiwillig.
Wir haben in etwa so viel gemeinsam wie ein Schokoriegel und eine Selleriestange. Beide sind essbar, aber einer davon ist schwer genießbar.
Es ist schon traurig, wirklich.
Andererseits habe ich Dad immer so nahe gestanden, dass ich nie wirklich das Gefühl hatte, etwas zu vermissen.
Er ist jetzt seit drei Wochen weg, obwohl es mir vorkommt wie eine Ewigkeit. Wir telefonieren häufig, aber das ist etwas anderes, als ihn in fünfzehn Minuten Entfernung zu wissen. Die mysteriöse Florrie lebt in Kent, was erklärt, warum Dad dort in den letzten Jahren so viel Zeit beim »Fischen« verbracht hat. Ich weiß, dass es eigentlich nicht weit entfernt liegt, doch im Moment kommt es mir vor wie das andere Ende der Welt.
Auch von Alex habe ich nichts mehr gehört. Nicht dass ich es erwartet hätte. Ich hatte meine Chance, und ich habe sie vertan. Ich weiß, dass ich es tun musste, mir war nur nicht klar, wie schlecht ich mich dadurch fühlen würde. Was hat Sash gesagt? Ist es besser, etwas zu tun, was man vielleicht bedauert, als etwas zu bedauern, das man nicht getan hat? Wir sind immer noch nicht einig in dieser Frage.
Anscheinend stellt ihr der tolle Zweiundzwanzigjährige immer noch nach. Sie ist ihm noch nicht erlegen, aber das Ganze tut ihrem Ego enorm gut.
Vielleicht ist es das, was ich brauche: Mich hemmungslos von einem unglaublich durchtrainierten, sexy Zweiundzwanzigjährigen umgarnen zu lassen. Leider ist der Einzige, von dem ich zur Zeit verfolgt werden möchte, ein unglaublich durchtrainierter, zum Verrücktwerden verheirateter Fünfunddreißigjähriger.
Sechs Wochen nach den Flitterwochen ruft Sally an, um mich einzuladen. Ich lehne so liebenswürdig wie möglich ab. Obwohl ich anscheinend immer noch nicht klar sehe, wohin mich mein Weg führt, scheine ich über die selbstzerstörerische Phase hinweg zu sein. Ich verstecke mich abends nicht mehr unter meiner Bettdecke und zappe, und auch im Kühlschrank finden sich erstaunlicherweise seit zwei Wochen keine Marsriegel mehr.
Doch zur Zeit will ich noch nicht einmal zum Supermarkt gehen, geschweige denn zu einer Party, bei der, obwohl von meiner entzückenden Schwester veranstaltet, zweifelsohne ihr grässlicher Ehemann und diverse seiner genauso grässlichen Freunde anwesend sein werden.
Abgesehen davon, dass ich Sie-wissen-schon-wen vermisse, ist die Arbeit schrecklich – oder sollte es meine neue Schulklasse sein, die schrecklich ist? Die Mädchen haben sich meine gegenwärtige, wie soll ich sagen, mehr als laxe Haltung zunutze gemacht und führen sich auf, als hießen sie alle Damien und hätten 666 auf der Stirn eintätowiert. Ich weiß, es ist meine Schuld. Normalerweise kann ich
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