Eine Braut zu Weihnachten
verhalten sollte, für sich behalten. Aber er wusste, dass sie nicht mehr lange schweigen würden. Er war schon sehr erstaunt gewesen, dass sie ihn gestern für den größten Teil des Tages sogar allein gelassen hatten. Geduld war kein Merkmal der Hadley-Attwaters. Sebastian hatte einen Großteil des Tags damit verbracht, die Fahne anzustarren, die Veronica ihm geschenkt hatte. Es war amüsant, wunderlich und rührend. Und perfekt. Den größten Teil des Abends und bis spät in die Nacht hinein hatte er mit seinen Brüdern und Sinclair zusammengesessen und Whisky, Brandy und was immer sonst noch da war, reichlich zugesprochen. Und trotz seiner düsteren Stimmung war ihm aufgefallen, dass die anderen beharrlich jede Erwähnung von Frauen im Allgemeinen und Veronica im Besonderen vermieden hatten. Es tat gut, mit Männern zusammen zu sein, die verstanden, dass man es nicht mochte, seine Fehler vorgehalten zu bekommen. Besonders, wenn er keine Ahnung hatte, wie er sie berichtigen sollte. Adrian hatte ein- oder zweimal das Thema Erbe angeschnitten, aber sofort wieder damit aufgehört, als Sebastian klarstellte, dass auch das ein Thema war, das er vermeiden wollte.
»So …«, sagte Sinclair in beiläufigem Ton, »hast du denn nun irgendwelche Entscheidungen getroffen? Dir einen Plan einfallen lassen? Einen vernünftigen Gedanken fassen können?«
Sebastian warf seinem Freund einen vernichtenden Blick zu.
Sinclair lachte. »Dachte ich’s mir doch.« Er nickte zum anderen Ende des Saales hinüber. »Wenn ich mich nicht irre, hast du bestenfalls noch eine Stunde, bevor sie über dich herfallen. Ich habe sie reden gehört, und du kannst froh sein, dass sie dich so lange in Ruhe gelassen haben.«
»Ich weiß.« Sebastian holte tief Luft. »Ich werde morgen nach London fahren.«
»Um die schöne Veronica zurückzugewinnen?«
Sebastian nickte.
»Ausgezeichnet.« Der Amerikaner sah ihm prüfend ins Gesicht. »Und wie?«
»Ich glaube nicht, dass ich eine Wahl habe, und ich will auch keine, glaube ich.« Sebastian verstummte für eine ganze Weile. Er hatte Veronica eigentlich nicht belogen, ihr aber auch nicht die ganze Wahrheit gesagt. Oder vielmehr alles. »Ich muss ganz offen zu ihr sein.«
»Ich dachte, das wärst du schon gewesen.«
»Das dachte ich auch, aber da habe ich falsch gedacht, denn offenbar ist eine Halbwahrheit genauso schlimm wie eine glatte Lüge.« Er schüttelte den Kopf. »Das Komischste an alldem ist, dass ich meinen Geburtstag und die Erbschaft fast vergessen hätte. Alles, was ich wollte war sie, als meine Frau. Für immer in meinem Leben.«
Sinclair warf ihm ein ironisches Lächeln zu. »Sag ihr das, nicht mir.«
»Das werde ich.«
Seine nächsten Worte wählte Sinclair mit Bedacht. »Und was ist, wenn es nicht genügt?«
»Ich habe nicht die Absicht aufzugeben. Ich baue darauf, dass sie mich genug liebt, um mir zu verzeihen. Falls ich mich auch darin irre …« Sebastian zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber vorher«, sagte er und stand auf, »werde ich mich mit denen da drüben auseinandersetzen müssen.«
Er begann zu seiner Familie hinüberzugehen. Es war besser, sie sagen zu lassen, was sie zu sagen hatten, und es hinter sich zu bringen. Sie würden ihm ohnehin nichts sagen, was er nicht schon wusste. Wieder einmal hatte er sich als Enttäuschung erwiesen, aber zum ersten Mal in seinem Leben kümmerte es ihn nicht.
Er hatte schon fast den Kreis von Sesseln und Sofas vor dem Weihnachtsbaum, wo die Familie sich versammelt hatte, erreicht, als Bianca ihn entdeckte und den anderen zunickte. Wie auf ein Stichwort hin wandten sie sich ihm alle mit erwartungsvollen Augen zu.
»Ihr habt euch wahrscheinlich alle schon gefragt …«
»Sir Sebastian«, rief Stokes hinter ihm, und Sebastian drehte sich um. Der Butler eilte auf ihn zu. »Sie haben Besuch, Sir.«
»Besuch?« Sebastian schnitt eine Grimasse. »Das Letzte, was wir brauchen können, ist noch mehr Besuch.«
»Aber es ist Lady …« Stokes unterbrach sich verwirrt. »Lady … ähm …«
»Sie steht dir«, sagte eine vertraute Stimme vom Eingang zum Saal.
Sebastian stockte der Atem. »Was steht mir?«
Veronica kam langsam auf ihn zu, der Rest ihrer Familie nur wenige Schritte hinter ihr.
»Die Krone natürlich«, erwiderte sie achselzuckend. »Sie ist nicht so schick wie einer meiner Hüte, aber sie bringt etwas zum Ausdruck.«
»Mir gefällt sie«, sagte er vorsichtig.
»Mir auch.« Sie betrachtete ihn einen
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