Eine Braut zu Weihnachten
schniefte leise. »Und, lieber Gott, ich liebe ihn!«
»Nur weil der Mann dir irgendwelchen Firlefanz schenkt …«
»Der mich nicht dazu bringt, ihn zu lieben, sondern bedeutet, dass er mich liebt, Tante.«
»Das war meine Beobachtung.« Großmutter nickte ihrer Tochter zu. »Und ich bin sehr scharfsinnig, wie du weißt.«
»Trotzdem, Veronica …«
»Entweder ich vertraue ihm, Tante Lotte, und glaube ihm, dass er mich liebt, dass er mir nicht wehtun oder mir etwas Wichtiges verheimlichen wollte, oder ich tue es nicht. Es darf nichts Halbherziges sein.« Sie schwieg für einen langen Augenblick. Ihm zu verzeihen würde ein Leichtes sein, verglichen damit, sich selbst zu verzeihen, falls sie ihn verlor. »Ich muss an ihn glauben … und das tue ich«, fügte sie nach einem tiefen Atemzug hinzu.
Lotte und Großmutter wechselten einen Blick.
Veronicas Augen weiteten sich in einer plötzlichen Erkenntnis. »Ich muss zurück! Ich habe ihnen schon Weihnachten verdorben, da möchte ich nicht auch noch seinen Geburtstag ruinieren.«
»Es ist schon viel zu spät, um heute noch aufzubrechen. Wir werden uns gleich morgen früh auf den Rückweg machen«, sagte Großmutter entschieden.
Veronica schüttelte den Kopf. »Ich sollte jetzt gleich losfahren.«
»Auf keinen Fall.« Diesmal duldete Großmutters Ton keinen Widerspruch. »Zuerst musst du dir genauestens überlegen, was du sagen wirst. Dann musst du ebenso gründlich darüber nachdenken, wie viel Betteln du von ihm erwartest. Und außerdem musst du dich ordentlich ausschlafen.« Sie schnitt ein Gesicht. »Du siehst schrecklich aus.«
Veronica lächelte. »Aber ich fühle mich besser, als ich aussehe.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Großmutter sah ihr prüfend in die Augen. »Aber bist du dir auch wirklich sicher? Dass du ihm verzeihen willst, meine ich?«
»Ich war mir noch nie im Leben einer Sache sicherer.«
»Nun ja, wahrscheinlich muss man auch schon mal Opfer bringen, um zu bekommen, was man wirklich will.« Lotte schüttelte den Kopf und seufzte. »Dann wirst du ihm also erlauben, dich als Mittel zum Zweck zu benutzen?«
Großmutter lächelte. »Und alles wird ein gutes Ende nehmen.«
»Nein, liebe Tante Lotte«, antwortete Veronica mit einem grimmig entschlossenen Lächeln. »Ich werde ihn als Mittel zu meinen Zwecken benutzen.«
»Du bist dir doch hoffentlich im Klaren darüber, dass du wie ein Narr aussiehst?«, fragte Sinclair, der seinen Freund mit unverhohlener Belustigung betrachtete.
»Da ich mir wie einer vorkomme, passt das ja.« Sebastian lehnte sich noch weiter zurück im Sessel und ließ den Brandy in seinem Glas kreisen.
»Du könntest die Krone jetzt bestimmt schon abnehmen.«
»Wieso? Ich mag die Krone«, erwiderte Sebastian. »Solange ich noch Geburtstag habe, behalte ich sie auf.«
»Na ja, vermutlich passt sie auch zu dir, zumindest heute.« Sinclair trank einen Schluck von seinem Brandy. »Du hast mir noch nicht gesagt, wie überragend gut ich in dem Stück war.« Er dachte einen Moment nach. »Vielleicht sollte ich zur Bühne gehen.«
»Der Applaus galt voll und ganz den Kindern. Was dich angeht …« Sebastian schnaubte. »Ich würde deinen Auftritt als ausreichend bezeichnen, angesichts der Tatsache, dass die meisten deiner Mitdarsteller viel kleiner und jünger waren. Aber an deiner Stelle würde ich nicht einmal mit dem minimalsten Erfolg auf einer echten Theaterbühne rechnen, es sei denn, du würdest es als Erfolg betrachten, mit verfaultem Obst und stinkenden Eiern bombardiert zu werden.«
»Du bist keine besonders angenehme Gesellschaft heute, weißt du.«
»Das war mir gar nicht aufgefallen«, murmelte Sebastian.
Er und Sinclair saßen am anderen Ende des Saals in bequemen, wenn auch abgenutzten Sesseln vor dem Kamin und dem noch immer brennenden Julblock. Der Saal war zum Mittelpunkt der Weihnachtsfeierlichkeiten geworden. Der Rest der Familie hielt sich am anderen Ende des großen Saals auf, in der Nähe des Weihnachtsbaums, obwohl die Kinder sich schon zu zerstreuen begonnen hatten, nachdem sie für ihre gelungene Theateraufführung gebührend gelobt worden waren. Sebastian hatte sich von seiner Schwermut erholt und für die Dauer des Theaterstücks und den Kindern zuliebe eine gute Miene gemacht. Warum sollten die anderen genauso missmutig und bedrückt sein wie er selbst?
Seine Mutter und Geschwister hatten seine Bitte respektiert und ihre Ansichten und Ratschläge wie er sich Veronica gegenüber weiter
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