Eine Chance für die Zukunft (German Edition)
verstehen.
Plötzlich fragt Lilly:
„Bist du jetzt mein Daddy, Colin?“
Wir zucken beide zusammen
und Lilly spricht weiter: „Im Kindergarten haben alle Kinder einen Daddy, auch
wenn er nicht bei denen wohnt.“
Tja, was soll man einer Dreijährigen
darauf antworten? Ich bin wie vernagelt und habe keine Antwort auf ihre Frage,
deshalb wechsele ich schnell das Thema und hole den Nachtisch. Der
Schokoladenpudding lenkt Lilly von ihrer Frage ab. Die Aufmerksamkeitsspanne bei
Dreijährigen ist zum Glück noch sehr gering.
Nach dem Essen muss Colin
sie natürlich baden und ins Bett bringen. Sobald er da ist, bin ich echt
abgeschrieben. Aber gut, sie hat nicht so richtig eine männliche Bezugsperson.
Im Kindergarten arbeiten nur Frauen und mein Bruder wohnt zu weit weg. Sie
genießt es einfach und das soll sie auch.
Ich setze mich mit einem
Glas Wein auf die Veranda und warte auf Colin. Als er herauskommt, setzt er
sich schweigend zu mir. Ich hole noch ein Glas und schenke ihm ein. Colin
starrt auf das Meer, während er gedankenverloren einen Schluck trinkt. Nach
einer gefühlten Ewigkeit bricht er endlich das Schweigen.
„Lilly schläft. Wollen
wir ein paar Schritte am Strand laufen?“
Huch? So hat er ja seit
Wochen nicht mit mir geredet. Als wären wir einfach nur Freunde, die sich einen
netten Abend machen wollen.
Wir gehen zu dem Abhang,
der zum Strand hinunter führt und unsere Schultern berühren sich kurz. Sofort
tritt Colin einen Schritt zur Seite. Okay, wohl doch keine Freunde. Was machen
wir dann hier? Ich warte gespannt, dass Colin etwas sagt. Ich bin sicher, er möchte
etwas besprechen, aber erst einmal schweigt er nur.
Nachdem wir ein paar
Minuten am Strand entlang gegangen sind, fängt er auf einmal an zu sprechen:
„Ich hoffe sehr, dass Lilly meine Tochter ist.“
Er klingt traurig und
sieht mich bei diesen Worten nicht an.
„Du wärst ein großartiger
Vater.“, antworte ich leise.
Ich höre, wie Colin
scharf Luft holt und seine Stimmung in Sekundenbruchteilen umschlägt. Sein
Körper spannt sich neben mir an, seine Hände ballen sich zu Fäusten, dass die
Knöchel weiß hervortreten. Leise flucht er vor sich hin, bevor er sich zu mir
umdreht und mich aus schwarzen Augen wütend anfunkelt.
„Und der Andere? Oder soll
ich sagen die Anderen? Wäre der auch ein toller Vater für Lilly? Hat er auch
einen Test gemacht und wartet und hofft und bangt seit Wochen auf das
Ergebnis?“
Ich keuche auf und
stolpere ein paar Schritte zurück. Dass er mich so angreift hatte ich nicht
erwartet.
„Es gibt keinen Anderen.
Es gab nie einen Anderen. Nicht so, wie du denkst.“
Er packt mich an den
Schultern und hält mich fest, hasserfüllt starrt er mich an.
„Warum zum Teufel, hast du
das dann behauptet? Warum erzählst du mir, du wüsstest nicht, ob ich ihr Vater
bin, wenn es angeblich doch keinen Anderen gab?“
Auf einmal werde ich auch wütend,
versuche mich von ihm loszumachen und schlage auf seine Brust ein, aber er
rührt sich keinen Millimeter. Stattdessen beugt er sich vor und flüstert mir
ins Ohr: “Wie kann man nur so verlogen sein?“
Da setzt alles in mir aus,
ich schreie auf. Mit aller Kraft trete und schlage ich nach ihm. Meine Augen
füllen sich mit Tränen, so wütend bin ich, aber ich schlucke sie hinunter. Ich
stoße immer wieder meine Fäuste vor seine Brust, um ihn loszuwerden, während
ich ihn anschreie: „Ich wurde vergewaltigt, du arrogantes, selbstherrliches Arschloch!“
Sofort lässt er mich los
und zuckt zurück, als hätten ihn meine Worte mehr getroffen, als meine Schläge.
Ich taumele kurz, dann drehe ich mich um und renne über den Strand zurück nach
Hause. In meine Sicherheit.
Kapitel 15
Wieder im Haus verschließe
ich alle Türen und gehe ins Schlafzimmer. Noch immer rollen mir Tränen der Wut
übers Gesicht und ich kann nicht aufhören zu weinen. So viel, wie in den
letzten Wochen, habe ich in den ganzen letzten Jahren nicht geheult. So
allmählich wird das eine ganz schlechte Angewohnheit von mir. Das muss sich
schleunigst wieder ändern. Allerdings hat mich auch seit Jahren nichts und
niemand mehr emotional so sehr getroffen, wie Colin. Ich krieche in mein Bett
und lasse den Tränen freien Lauf, bis sie von selbst versiegen. Zwischen meinen
Schluchzern, höre ich es unten an der Tür klopfen. Dann klingelt mein Handy
neben mir auf dem Nachttisch. Und noch einmal. Nach dem dritten Anruf mache ich
es aus. Ich will jetzt nicht mit Colin reden.
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