Eine Chance für die Zukunft (German Edition)
Vater beisammen sitze und von meinem neuen Buch
erzähle.
Mein Vater ist ein großer
Fan von meinen Krimis und verschenkt sie auch bei jeder Gelegenheit an Freunde,
Bekannte und Arbeitskollegen. Es freut mich immer wieder zu sehen, wie Stolz
mein Vater auf mich ist.
Meine Eltern fanden es
damals vielleicht nicht so gut, dass ich weggezogen bin, aber den Schritt zur
freien Autorin haben sie immer sehr begrüßt. Sie waren sowieso der Meinung, ich
würde mein Talent in dieser Pressestelle beim Pharmakonzern nur vergeuden.
Mit meiner Mutter mache
ich mir einen Frauentag mit ausgiebigem Shoppen und einem Besuch in einem Spa,
wo wir uns mit Massagen und Masken verschönern lassen, während mein Vater auf
Lilly aufpasst und versucht, ihr das Angeln beizubringen.
So allmählich bekomme ich
auch meine abgenommenen Kilo wieder drauf. Kein Wunder, bei der Pflege und
Verpflegung meiner Mutter.
So vergehen die ersten
Tage und meine Eltern schneiden das Thema Colin nicht an. Wahrscheinlich haben
sie von Chris schon von meinem Absturz und dem Zwischenfall beim Arzt erfahren.
Ich bin noch lange nicht über Colin hinweg, werde es vielleicht auch niemals
sein, aber noch hält meine Wut auf ihn die Traurigkeit in Grenzen. Ich bin so
sauer, über seine Beleidigungen und darüber, wie er mich in die Defensive
gedrängt hat, bis ich ihm die Wahrheit buchstäblich an den Kopf geknallt habe. Und
ich bin auch auf mich selbst sauer, dass ich es ihm überhaupt gesagt habe. Ich
wollte es ihm nicht erzählen, nach allem, was er über mich gesagt hat und wenn,
dann zumindest nicht so. Ich verdränge die Gedanken an Colin die ganze Woche
über und bemühe mich nur, meinen Spaß zu haben. Mein Handy habe ich mit Absicht
gar nicht erst mitgenommen, weil ich nicht in Versuchung kommen wollte, ihn
anzurufen oder seine SMS zu lesen. Davon hat er mir mit Sicherheit welche
geschrieben.
Am Freitagabend, als mein
Urlaub fast zu Ende ist, kommt Chris vorbei. Wir werfen den Grill an und
genießen unser Familientreffen. Es ist schon lange her, dass wir einmal alle
beisammen waren. Es ist mein letzter Abend. Morgen nach dem Frühstück fahren
Lilly und ich wieder nach Hause. So kann sie sich Sonntag noch ein bisschen von
der Fahrt erholen, bevor am Montag der Kindergarten wieder los geht. Meine
Eltern übernehmen nach dem Essen gemeinsam Lillys Abendritual von baden,
Geschichte lesen und ins Bett bringen, während ich mit Chris in der lauen
Sommernacht im Garten sitzen bleiben. Mein Bruder schweigt lange, als die drei
ins Haus gegangen sind, was ungewöhnlich ist für ihn. Er starrt in den Garten
und sagt auf einmal: „Colin hat mich angerufen.“
Ich bin völlig perplex.
Bitte was?
Er sieht mich an und
spricht weiter: „Ich glaube, ich habe ihn falsch eingeschätzt. Er hat mir von
eurem Streit erzählt und was du ihm da an den Kopf geworfen hast, bevor du
weggelaufen bist. Ich weiß, es ist allein deine Sache, aber ich finde, du
solltest mit ihm reden. Er macht sich wirklich Sorgen um dich.“
„Woher hatte er deine
Nummer?“
Chris zieht nur eine
Augenbraue hoch und sieht mich an. Ach ja, Securityfirma… Ich vergaß…
„Was hat er dir erzählt?“
Wenn Colin ausgerechnet
Chris anruft, nach dem, was vor der Arztpraxis passiert ist, scheint an den
Worten meines Bruders etwas dran zu sein.
„Ich glaube, er hat nichts
ausgelassen. Er hat mir sogar erzählt, wie er dich letzte Woche am Strand
angegriffen hat. Also verbal. Oder hat er dir wehgetan?“, fragt Chris
alarmiert.
Als ich nur den Kopf
schüttele, entspannt er sich wieder und spricht weiter.
„Es tut ihm wirklich leid.
Er klang ziemlich fertig und hat mich angerufen, weil er dich nicht erreichen
konnte und du auch nicht zu Hause warst.“
„Ich hab mein Handy nicht
mitgenommen.“, werfe ich ein.
Christ nickt nur wissend.
„Rede mit ihm. Ich glaube,
er hat mehr verdient, als die reine Aussage, dass du vergewaltigt wurdest. Vor
allem, wenn er tatsächlich Lillys Vater sein sollte. Dann seid ihr beide
gemeinsam Eltern und werdet immer miteinander zu tun haben.“
Ich erzähle Chris, wie
liebevoll Colin sich die letzten Wochen um Lilly gekümmert hat und dass ich
nicht glaube, dass er geht, nur weil Lilly nicht von seinem Blut ist. Er liebt
die Kleine abgöttisch, sie hat ihn völlig verzaubert, das sehe ich jedes Mal
wieder. Zumindest durch Lilly werden wir immer verbunden sein. Egal, was der
Test sagt.
Meine Eltern gesellen sich
wieder zu uns und wir wechseln das Thema.
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