Eine dunkle Geschichte (German Edition)
nicht gesehen hat. Sie liebt sie. Nun, wäre ich an ihrer Stelle und jung und hübsch, ich ritte in einem Zuge nach Deutschland. Vielleicht ist es auch so, und es zieht den armen Liebling nach der Grenze.«
»Sie sind leichtfertig, Fräulein Goujet«, lächelte der Pfarrer.
»Aber,« fuhr sie fort, »ich sehe Sie besorgt um das Kommen und Gehen eines jungen Mädchens von dreiundzwanzig Jahren. Ich erkläre es Ihnen.«
»Ihre Vettern werden zurückkehren. Sie ist dann reich und wird sich schließlich beruhigen«, sagte der gute Hauteserre.
»Gott gebe es!« rief die alte Dame und ergriff ihre goldne Tabaksdose, die seit dem lebenslänglichen Konsulat wieder ans Tageslicht gekommen war.
»Es gibt etwas Neues in der Gegend«, sagte der gute Hauteserre zum Pfarrer. »Malin ist seit gestern abend in Gondreville.«
»Malin?« rief Laurence, die bei diesem Namen aus ihrem tiefen Schlaf erwachte.
»Ja,« entgegnete der Pfarrer; »aber er reist heute nacht wieder ab, und man ergeht sich in Vermutungen über den Zweck dieser überstürzten Reise.«
»Dieser Mensch«, sagte Laurence, »ist der böse Geist unserer beiden Häuser.«
Die junge Gräfin hatte von ihren Vettern und den Hauteserres geträumt und sie bedroht gesehen. Ihre schönen Augen wurden starr und trüb, als sie an die Gefahren dachte, die sie in Paris liefen. Sie stand plötzlich auf und ging ohne ein Wort in ihr Zimmer. Sie bewohnte das Ehrenzimmer, an das ein Kabinett und eine Betstube stießen, die in dem Turm nach dem Walde zu lagen. Als sie den Salon verlassen hatte, schlugen die Hunde an. Man hörte am kleinen Gitter läuten, und Durieu trat mit verstörtem Gesicht in den Salon und meldete:
»Der Bürgermeister ist da! Es gibt etwas Neues...«
Dieser Bürgermeister, ein früherer Reitknecht des Hauses Simeuse, kam bisweilen aufs Schloß, und die Hauteserres bezeugten ihm aus Politik eine Achtung, auf die er größten Wert legte. Dieser Mann, namens Goulard, hatte eine reiche Kaufmannsfrau aus Troyes geehelicht, deren Grundbesitz in der Gemeinde von Cinq-Cygne lag; er hatte ihn um alle Ländereien einer reichen Abtei vermehrt, in deren Erwerb er alle seine Ersparnisse anlegte. Die ausgedehnte Abtei Val des Preux, die eine Viertelstunde vom Schlosse lag, bot ihm einen fast ebenso glänzenden Wohnsitz wie Gondreville, in dem er und seine Frau wie zwei Ratten in einem Dom hausten.
Obwohl er ein großer Anhänger der Revolution war, und die Gräfin ihn kühl behandelte, fühlte der Bürgermeister sich noch immer durch die Bande der Ehrerbietung an die Cinq-Cygnes und die Simeuses gefesselt. Und so drückte er denn über alles, was im Schloß vorging, ein Auge zu. So nannte er es, wenn er die Bilder Ludwigs XVI., der Marie Antoinette, der Brüder des Königs, die Porträts von Cazalès und Charlotte Corday übersah, die die Wandtäfelungen des Salons schmückten, wenn er keinen Anstoß daran nahm, daß man der Republik in seiner Gegenwart den Untergang wünschte, sich über die fünf Direktoren und alle damaligen Verhältnisse lustig machte. Wie viele Emporkömmlinge glaubte er, nachdem er sein Glück gemacht hatte, wieder an die alten Familien und suchte Anschluß an sie. Und diese seine Stellung war von den beiden Personen benutzt worden, deren Beruf Michu so rasch erraten hatte, und die vor ihrem Erscheinen in Gondreville die Gegend durchforscht hatten.
Der Mann mit den schönen Traditionen der alten Polizei und Corentin, dieser Phönix der Spione, hatten einen geheimen Auftrag. Malin täuschte sich nicht, als er diesen beiden Künstlern in tragischen Possen eine doppelte Rolle zuschrieb; und so ist es vielleicht nötig, ehe wir sie an der Arbeit sehen, den Kopf zu zeigen, dem sie als Arme dienten. Als Bonaparte Erster Konsul wurde, fand er Fouché als Leiter der allgemeinen Polizei. Die Revolution hatte offen und nicht ohne Grund ein besonderes Polizeiministerium. Doch bei seiner Rückkehr von Marengo schuf Bonaparte die Polizeipräfektur, die er Dubois gab, und berief Fouché in den Staatsrat, während er zu seinem Nachfolger im Polizeiministerium das Konventsmitglied Cochon machte, der seitdem Graf von Lapparent geworden ist. Fouché, der das Polizeiministerium für das Wichtigste in einer weitschauenden Regierung mit fester Politik hielt, sah in diesem Wechsel eine Ungnade oder zum mindesten ein Mißtrauen. Nachdem Napoleon in dem Anschlag mit der Höllenmaschine und in der gegenwärtigen Verschwörung die außerordentliche Überlegenheit
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