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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Flintenlaufs erblickt hätten, und ihm eine feindliche Haltung zugeschrieben, während sie ganz harmlos gewesen sei. Er hob hervor, daß ein Mann, der nicht an die Jagd gewöhnt ist, am Abend ein Gewehr gegen sich gerichtet glauben kann, während es ruhig auf der Schulter liegt. Den Zustand seiner Kleider bei seiner Verhaftung erklärte er damit, daß er bei der Heimkehr in die Bresche gefallen sei.
    »Da ich beim Durchklettern nicht mehr deutlich sah,« sagte er, »habe ich sozusagen die Steine umarmt, die unter mir einbrachen, als ich mich an sie festhielt, um den Hohlweg zu erklimmen.«
    Betreffs des Kalks, den Gottfried ihm gebracht hatte, antwortete er wie bei allen seinen Vernehmungen, mit dem Kalk hätte er einen Pfosten am Zaun des Hohlweges ausgeflickt.
    Der öffentliche Ankläger und der Präsident forderten ihn nun auf, zu erklären, wie er gleichzeitig in der Bresche beim Schloß und oben im Hohlweg hätte sein können, um einen Pfosten des Zauns auszuflicken, zumal der Friedensrichter, die Gendarmen und der Feldhüter erklärten, sie hätten ihn von unten kommen hören. Michu entgegnete, Herr von Hauteserre hätte ihm Vorwürfe gemacht, weil er nicht längst die kleine Ausbesserung ausgeführt hatte, auf die er Wert legte, weil dieser Weg Schwierigkeiten mit der Gemeinde hervorrufen konnte. Er sei also hingegangen, um ihm zu melden, daß der Zaun in Ordnung sei.
    In der Tat hatte Herr von Hauteserre einen Zaun oben am Hohlweg errichten lassen, damit die Gemeinde ihn nicht in Beschlag nahm. Als Michu sah, welche Wichtigkeit der Zustand seiner Kleider und der Kalk bekam, dessen Gebrauch nicht abzuleugnen war, hatte er diese Ausflucht ersonnen. Wenn bei Gericht die Wahrheit oft einem Märchen gleicht, so kommt auch das Märchen der Wahrheit sehr nahe. Der Verteidiger wie der Ankläger legten beide großen Wert auf diesen Umstand, der durch die Bemühungen des Verteidigers wie durch den Verdacht des Anklägers grundlegend wurde.

Gotthard, der offenbar von Herrn von Granville aufgeklärt war, gab beim Verhör zu, daß Michu ihn gebeten hatte, ihm Säcke mit Kalk zu bringen. Denn bis dahin hatte er stets zu weinen begonnen, wenn er gefragt wurde.
    »Warum haben Sie oder Gotthard nicht sofort den Friedensrichter oder den Feldhüter nach dem Zaune geführt?« fragte der öffentliche Ankläger. »Ich habe nie geglaubt, daß wir wegen eines Kapitalverbrechens angeklagt werden könnten«, sagte Michu.
    Alle Angeklagten außer Gotthard wurden hinausgeführt. Als dieser allein war, beschwor der Präsident ihn, in seinem Interesse die Wahrheit zu sagen, und wies ihn darauf hin, daß seine gespielte Blödigkeit verschwunden sei. Keiner der Geschworenen hielte ihn für schwachsinnig. Wenn er vor dem Gerichtshofe weiter schwiege, könne er sich ernste Strafen zuziehen; sagte er jedoch die Wahrheit, so würde er wahrscheinlich freigesprochen. Gotthard weinte, schwankte und sagte schließlich, Michu hätte ihn gebeten, ihm mehrere Säcke Kalk zu holen, aber jedesmal hätte er ihn im Pachthof getroffen. Auf die Frage, wieviel Säcke er gebracht hätte, antwortete er: »Drei.«
    Nun entstand zwischen Gotthard und Michu eine Debatte darüber, ob es drei einschließlich des Sackes waren, den er ihm im Augenblick der Verhaftung brachte; dann wären es nur zwei Säcke oder drei außer dem letzten gewesen. Dieser Streit endete zu Michus Gunsten. Für die Geschworenen waren nur zwei Säcke gebraucht worden, aber sie schienen in diesem Punkte schon ihre Überzeugung zu haben. Bordin und Herr von Granville hielten es für nötig, sie mit Kalk zu sättigen und sie derart zu ermüden, daß sie nichts mehr begriffen. Herr von Granville stellte den Antrag, Sachverständige zu ernennen, um den Zustand des Zaunes zu prüfen.
    »Der Direktor der Jury«, sagte der Verteidiger, »hat sich begnügt, die Örtlichkeit zu besichtigen, weniger um eine strenge Besichtigung vorzunehmen, als um dort eine Ausflucht Michus zu entdecken. Aber nach unserer Meinung hat er seine Pflicht versäumt, und sein Fehler muß uns zugute kommen.«
    In der Tat ernannte das Gericht Sachverständige zwecks Feststellung, ob einer der Pfosten des Zaunes neuerdings ausgebessert worden war. Doch der öffentliche Ankläger wollte noch vor der Prüfung durch Sachverständige in dieser Sache den Sieg davontragen.
    »Sie hätten sich«, sagte er zu Michu, »die Stunde zwischen halb sechs und halb sieben Uhr, wo es nicht mehr hell ist, ausgesucht, um allein den Zaun

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