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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Paris, wird die Wirkung dieser ungeheuren Macht durch die Ärmlichkeit des Lokals, die schlechte Raumverteilung und den Mangel an Ausstattung vermindert, und das bei dem eitelsten und bei Monumenten theatralischsten Volke, das es heute gibt. Die Einrichtung ist fast in allen Städten die gleiche. Im Hintergrund eines langen, viereckigen Saales sieht man auf einer Estrade einen mit grünem Tuche bedeckten Tisch, hinter dem die Richter auf gewöhnlichen Lehnstühlen Platz nehmen. Links befindet sich der Stuhl des öffentlichen Anklägers und auf derselben Seite längs der Wand eine lange Tribüne mit Stühlen für die Geschworenen. Ihnen gegenüber erstreckt sich eine zweite Tribüne, auf der sich eine Bank für die Angeklagten und die sie bewachenden Gendarmen befindet. Der Gerichtsschreiber sitzt am Fuße der Estrade an dem Tisch, auf dem die Beweisstücke liegen. Vor der Einrichtung der kaiserlichen Justiz hatten der Regierungskommissar und der Direktor der Jury jeder einen Stuhl und einen Tisch rechts und links von dem Richtertisch. Zwei Gerichtsdiener tummeln sich in dem Raum vor der Estrade, der für das Erscheinen der Zeugen frei bleibt. Die Verteidiger sitzen unter der Tribüne der Angeklagten. Eine Holzschranke verbindet beide Tribünen am anderen Saalende und teilt einen Raum ab, in dem die Bänke für die vernommenen Zeugen und die bevorrechtigten Zuschauer stehen. Ferner befindet sich gegenüber dem Gerichtshof über der Eingangstür stets eine elende Tribüne für die Behörden und die Frauen, die von dem Präsidenten, der die Saalpolizei ausübt, aus dem Departement ausgewählt werden. Das nicht bevorrechtigte Publikum steht in dem Raume zwischen der Saaltür und der Schranke. Dies normale Aussehen der französischen Gerichte und der jetzigen Schwurgerichte war auch das des Kriminalgerichtes von Troyes.
    Im April 1806 hatten weder die vier Richter noch der Präsident, die den Gerichtshof bildeten, noch der öffentliche Ankläger, noch der Direktor der Jury, noch der Regierungskommissar, noch die Gerichtsdiener oder die Verteidiger, kurz, niemand außer den Gendarmen eine Amtstracht oder ein Erkennungszeichen, das die Kahlheit der Dinge und den recht mageren Anblick der Gesichter hob. Das Kruzifix fehlte und gab weder den Richtern noch den Angeklagten sein Beispiel. Alles war traurig und gewöhnlich. Der im sozialen Interesse so nötige Apparat ist vielleicht ein Trost für den Verbrecher. Der Andrang des Publikums war der gleiche, wie er bei allen derartigen Anlässen sein wird, solange die Sitten sich nicht gebessert haben und Frankreich nicht erkannt hat, daß die Zulassung des Publikums zur Sitzung nicht die Öffentlichkeit bedingt, daß die Öffentlichkeit der Verhandlungen eine so unerhörte Strafe darstellt, daß der Gesetzgeber sie nicht vorgeschrieben hätte, wenn er sie hätte ahnen können. Die Sitten sind oft grausamer als die Gesetze. Die Sitten sind die Menschen, aber das Gesetz ist die Vernunft eines Landes. Die Sitten, die oft unvernünftig sind, siegen über das Gesetz.
    Menschenansammlungen bildeten sich um das Gerichtsgebäude. Wie bei allen berühmten Prozessen war der Präsident genötigt, die Türen durch Militär bewachen zu lassen. Der Zuschauerraum hinter der Schranke war so überfüllt, daß man darin erstickte. Herr von Granville, der Michu verteidigte, Bordin, der Verteidiger der Herren von Simeuse, und ein Advokat aus Troyes, der für die Herren von Hauteserre und für Gotthard, die am wenigsten Belasteten unter den sechs Angeklagten, eintrat, waren schon vor Beginn der Sitzung auf ihrem Posten und blickten zuversichtlich drein. Ebenso wie der Arzt seinen Kranken nichts von seinen Befürchtungen merken läßt, ebenso zeigt der Advokat seinem Klienten stets ein hoffnungsvolles Gesicht. Dies ist einer der seltenen Fälle, wo die Lüge zur Tugend wird. Als die Angeklagten eintraten, erhob sich wohlwollendes Gemurmel beim Anblick der vier jungen Leute, die nach zwanzigtägiger Haft und Sorge etwas blaß geworden waren. Die vollkommene Ähnlichkeit der Zwillinge erregte das stärkste Interesse. Vielleicht dachte jeder, die Natur müsse eine ihrer merkwürdigsten Seltenheiten besonders in Schutz nehmen, und jedermann war versucht, die Vergeßlichkeit des Schicksals ihnen gegenüber wieder gut zu machen. Ihr edles, schlichtes Benehmen, ohne das geringste Zeichen von Scham, aber auch von Prahlerei, rührte viele Frauen. Die vier Edelleute sowie Gotthard erschienen in der Kleidung, die

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