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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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festgestellt, daß wir eins der Pferde aus dem Schlosse gebraucht haben.«
    Im übrigen widerlegte er die Aussage Violettes betreffs der Ähnlichkeit der Pferde, denn er hatte sie nur von fern und von hinten gesehen. Trotz der unglaublichen Anstrengungen des Verteidigers wurde Michu durch die Masse der positiven Zeugenaussagen schwer belastet. Der Ankläger, das Publikum, der Gerichtshof und die Geschworenen fühlten sämtlich, wie es die Verteidigung vorausgesehen hatte, daß die Schuld des Dieners die der Herren nach sich zog. Bordin hatte den Knoten des Prozesses richtig erraten, als er Herrn von Granville zu Michus Verteidiger machte, aber damit gab die Verteidigung ihre Geheimnisse preis. So war denn alles, was den früheren Verwalter von Gondreville betraf, von pochendem Interesse. Übrigens war Michus Haltung prachtvoll. Er entwickelte bei diesen Verhandlungen den ganzen Scharfsinn, mit dem die Natur ihn begabt hatte, und je länger das Publikum ihn sah, erkannte es seine Überlegenheit an. Aber seltsam: nun schien er um so gewisser der Urheber des Attentats zu sein!
    Die Entlastungszeugen, die in den Augen der Geschworenen und des Gesetzes weniger ernst zu nehmen sind, schienen nur ihre Pflicht zu tun; man hörte sie an, um sein Gewissen zu beruhigen. Zunächst wurden weder Martha noch Herr und Frau von Hauteserre vereidigt, und Katharina sowie die Durieus traf als Dienstboten das gleiche Los. Herr von Hauteserre sagte aus, er habe Michu in der Tat befohlen, den umgestürzten Pfosten wieder aufzustellen. Die Erklärung der Sachverständigen, die soeben ihren Bericht verlasen, bestätigte die Aussage des alten Edelmannes, gab aber auch dem Direktor der Jury gewonnenes Spiel, denn es hieß darin, sie vermöchten den Zeitpunkt, wo diese Arbeit ausgeführt worden sei, nicht anzugeben. Es könnten seitdem ebensogut mehrere Wochen wie zwanzig Tage verstrichen sein.
    Das Erscheinen des Fräuleins von Cinq-Cygne erregte die lebhafteste Neugier. Doch als sie ihre Vettern nach dreiundzwanzigtägiger Trennung auf der Anklagebank wiedersah, war ihre Gemütsbewegung so heftig, daß sie wie eine Schuldige aussah. Sie verspürte ein furchtbares Verlangen, neben den Zwillingen zu sitzen, und mußte, wie sie später sagte, alle Kraft aufbieten, um ihre Wut zu bezwingen; sie hätte den öffentlichen Ankläger ermorden mögen, um in den Augen der Welt mit ihnen schuldig zu sein. Sie erzählte naiv, bei der Heimkehr nach Cinq-Cygne hätte sie Rauch im Park gesehen und an einen Brand geglaubt. Lange hätte sie gemeint, der Rauch rühre von verbranntem Unkraut her.
    »Doch ist mir später«, sagte sie, »eine Einzelheit eingefallen, die ich der Beachtung der Justiz anheimstelle. In den Schnüren meines Reitkleides und in den Falten meiner Halskrause fand ich Überreste wie von verbranntem Papier, das der Wind fortgetragen hat.«
    »War der Rauch beträchtlich?« fragte Bordin.
    »Ja,« entgegnete Fräulein von Cinq-Cygne, »ich glaubte an einen Brand.«
    »Das kann dem Prozeß eine Wendung geben«, sagte Bordin. »Ich ersuche den Gerichtshof, eine sofortige Untersuchung der Örtlichkeit anzuordnen, wo der Brand stattgefunden hat.«
    Der Präsident ordnete sie an.
    Grévin wurde auf Antrag der Verteidiger zurückgerufen und über diesen Umstand befragt. Er erklärte, nichts darüber zu wissen. Aber Bordin und Grévin tauschten miteinander Blicke aus, die sie gegenseitig aufklärten.
    »Da liegt der Prozeß!« sagte sich der alte Anwalt.
    »Sie haben es!« dachte der Notar.
    Aber die zwei schlauen Füchse auf beiden Seiten begriffen, daß die Untersuchung vergeblich war. Bordin sagte sich, Grévin würde verschwiegen sein wie das Grab, und Grévin beglückwünschte sich selbst, daß er die Spuren des Feuers hatte verschwinden lassen.
    Um diesen Punkt zu erschöpfen, der in der Verhandlung nebensächlich war und kindisch erscheint, doch für die Rechtfertigung, welche die Geschichte den jungen Leuten schuldet, wesentlich ist, erklärten die mit der Besichtigung des Parks beauftragten Sachverständigen und Pigoult, keine Stelle mit Brandspuren gefunden zu haben. Bordin ließ zwei Arbeiter vorladen, und diese sagten aus, sie hätten auf Befehl des Verwalters einen Teil der Wiese, deren Gras verbrannt war, umgegraben, doch hätten sie nicht darauf geachtet, von welchem Stoffe die Asche herrührte. Der auf Anfordern der Verteidiger nochmals vorgerufene Verwalter sagte aus, als er am Schlosse vorbeigekommen sei, um sich den Maskenzug in

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