Eine dunkle Geschichte (German Edition)
er ihre Anwesenheit gespürt, so kehrte er mit leisem Knurren zu seiner Herrin zurück, blickte sie an und drehte das Maul nach der gefährdeten Seite.
Gegen drei Uhr morgens langte Martha bei dem, Sumpfe an, wo sie Couraut als Schildwache zurückließ. Es kostete ihr eine halbe Stunde Arbeit, den Eingang freizumachen; dann trat sie mit einer Blendlaterne an die Kellertür, das Gesicht mit einer Maske bedeckt, die sie tatsächlich auf einer Stufe gefunden hatte. Die Gefangensetzung des Senators war anscheinend lange vorher überlegt worden. Ein Loch von einem Quadratfuß, das Martha vordem nicht bemerkt hatte, war roh in dem Oberteil der Eisentür angebracht, die den Keller schloß. Damit aber Malin nicht mit der Zeit und Geduld, die alle Gefangenen haben, den eisernen Riegel, der die Tür verschloß, zurückschieben konnte, hatte man ein Vorlegeschloß angebracht. Der Senator, der sich von seinem Mooslager erhoben hatte, stieß einen Seufzer aus, als er ein maskiertes Gesicht erblickte, und erriet, daß es sich noch nicht um seine Befreiung handelte. Er beobachtete Martha in dem undeutlichen Schein einer Blendlaterne und erkannte sie an ihren Kleidern, ihrer Beleibtheit und ihren Bewegungen. Als sie ihm durch das Loch die Pastete reichte, ließ er diese fallen, um ihre Hände zu ergreifen, und versuchte mit außerordentlicher Geschwindigkeit, ihr zwei Ringe vom Finger zu streifen: ihren Trauring und ein Ringchen, das ihr Fräulein von Cinq-Cygne geschenkt hatte.
»Sie werden nicht leugnen, daß Sie es sind, liebe Frau Michu?« sagte er.
Martha ballte die Faust, sobald sie die Finger des Senators fühlte, und gab ihm einen kräftigen Schlag gegen die Brust. Dann ging sie, ohne ein Wort zu sagen, um sich eine kräftige Rute zu schneiden, und benutzte sie, um dem Senator den Rest der Vorräte zu reichen.
»Was will man von mir?« fragte er.
Martha ging, ohne eine Antwort zu geben. Bei der Heimkehr erreichte sie gegen fünf Uhr den Waldrand, und Couraut meldete ihr die Anwesenheit eines Lästigen. Sie kehrte um und ging auf den Pavillon zu, wo sie so lange gewohnt hatte. Als sie aber in die Allee kam, wurde sie von weitem vom Feldhüter von Gondreville bemerkt. Nun entschloß sie sich, gerade auf ihn loszugehen.
»Sie sind recht früh auf, Frau Michu!« redete er sie an.
»Wir sind so unglücklich«, entgegnete sie, »daß ich gezwungen bin, die Arbeit einer Magd zu tun. Ich gehe nach Bellache, um Korn zu holen.«
»Haben Sie denn in Cinq-Cygne kein Korn?« fragte der Feldhüter.
Martha gab keine Antwort und setzte ihren Weg fort. Als sie zum Pachthof Bellache kam, bat sie Beauvisage, ihr verschiedene Sorten von Saatkorn zu geben; Herr von Hauteserre hätte ihr befohlen, sie bei ihm zu holen, um seine Samenarten aufzufrischen. Als Martha fort war, kam der Feldhüter von Gondreville nach dem Pachthof und fragte, was Martha dort hatte holen wollen.
Sechs Tage darauf ging Martha, die nun vorsichtig geworden war, schon um Mitternacht fort, um die Vorräte hinzubringen und nicht von den Wächtern überrascht zu werden, die den Wald offenbar überwachten. Nachdem sie dem Senator zum drittenmal Lebensmittel gebracht hatte, ward sie von einer Art von Schrecken ergriffen, als sie den Pfarrer die öffentlichen Vernehmungen der Angeklagten vorlesen hörte, denn die Verhandlungen hatten eben begonnen. Sie nahm den Abbé Goujet beiseite, ließ sich von ihm schwören, über das, was sie ihm sagen würde, wie bei der Beichte Schweigen zu bewahren, und zeigte ihm die Fetzen des Briefes, den sie von Michu erhalten hatte. Dann gab sie ihm dessen Inhalt an und vertraute ihm das Geheimnis an, wo sich der Senator befand. Der Pfarrer fragte sie sogleich, ob sie Briefe von ihrem Gatten hätte, damit er die Schrift vergleichen könne. Martha ging nach Hause auf den Pachthof und fand dort eine Vorladung, als Zeugin vor Gericht zu erscheinen. Als sie ins Schloß zurückkehrte, waren der Abbé Goujet und seine Schwester auf Antrag der Angeklagten gleichfalls vorgeladen worden. Sie mußten sich also unverweilt nach Troyes begeben. So waren alle Personen dieses Dramas, selbst die, welche gewissermaßen nur Statisten waren, auf dem Schauplatz vereinigt, auf dem um das Schicksal der beiden Familien gespielt ward.
Es gibt sehr wenige Orte in Frankreich, wo die Justiz den Dingen den Nimbus verleiht, den sie stets haben sollten. Ist sie nicht nächst der Religion und dem Königtum das größte Triebwerk der Gesellschaft? Überall, selbst in
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