Eine dunkle Geschichte (German Edition)
sie bei ihrer Verhaftung getragen hatten; Michu jedoch, dessen Kleider zu den Beweisstücken gehörten, hatte seinen besten Anzug angelegt, einen blauen Überrock, eine braune Samtweste nach der Art Robespierres und eine weiße Halsbinde. Der Ärmste zahlte jetzt den Tribut für sein finsteres Aussehen. Wenn er seinen gelben, klaren und tiefen Blick über die Versammlung schweifen ließ oder eine Bewegung machte, antwortete ihm ein Murmeln des Schreckens. Das Publikum wollte den Finger Gottes in seinem Erscheinen auf der Anklagebank sehen, auf die sein Schwiegervater so viele Opfer gebracht hatte. Dieser wahrhaft große Mann blickte seine Herren mit einem unterdrückten ironischen Lächeln an, als wollte er zu ihnen sagen: »Ich werde Euch schaden!« Die fünf Angeklagten begrüßten sich herzlich mit ihren Verteidigern. Gotthard spielte noch immer den Blöden.
Die Verteidiger übten ihr Ablehnungsrecht mit Scharfsinn. Sie waren in diesem Punkte von dem Marquis von Chargeboeuf beraten worden, der mutig neben Bordin und Herrn von Granville saß. Als dann die Jury zusammengestellt und die Anklageschrift verlesen war, wurden die Angeklagten getrennt, um vernommen zu werden. Alle antworteten in auffälliger Übereinstimmung. Nachdem sie am Morgen im Walde geritten wären, seien sie um ein Uhr zum Frühstück nach Cinq-Cygne zurückgekehrt. Nach dem Essen seien sie von drei bis halb sechs Uhr wieder in den Wald geritten. Das war der gemeinsame Grundzug ihrer Aussagen; einzelne Abweichungen ergaben sich aus der besonderen Lage jedes Angeklagten. Als der Präsident die Herren von Simeuse aufforderte, Gründe für ihren so frühzeitigen Ritt anzugeben, erklärten beide, seit ihrer Rückkehr hätten sie daran gedacht, Gondreville zurückzukaufen, und da sie beabsichtigt hätten, mit Malin zu verhandeln, der tags zuvor angekommen sei, wären sie mit ihrer Base und Michu ausgeritten, um den Wald abzuschätzen und ihre Angebote darauf zu begründen. Inzwischen hätten die Herren von Hauteserre, ihre Base und Gotthard einen Wolf gejagt, den die Bauern bemerkt hätten. Wären ihre Pferdespuren im Walde ebenso sorgfältig geprüft worden wie die, die durch den Park von Gondreville führten, so hätte man den Beweis für ihre Ritte in Gegenden gehabt, die vom Schlosse recht weit ablagen.
Das Verhör des Herren von Hauteserre bestätigte ihre Angaben und stimmte mit ihren Aussagen in der Voruntersuchung überein. Die Notwendigkeit, ihren Ritt zu rechtfertigen, hatte jeden Angeklagten auf den Gedanken gebracht, ihn mit der Jagd zu begründen. Ein paar Tage vorher hatten Bauern einen Wolf im Walde gemeldet und jeder von ihnen nahm das zum Vorwand.
Doch der öffentliche Ankläger hob Widersprüche zwischen den ersten Vernehmungen hervor, wo die Herren von Hauteserre ausgesagt hatten, sie hätten allesamt gejagt, und dem in der Verhandlung befolgten System, wonach die Herren von Hauteserre und Laurence gejagt, die Herren von Simeuse aber den Wald abgeschätzt hätten.
Herr von Granville wies darauf hin, daß das Delikt erst zwischen zwei und halb sechs Uhr begangen sei; somit müsse man den Angeklagten Glauben schenken, wenn sie erklärten, wie sie den Vormittag verbracht hätten.
Der Ankläger erwiderte, die Angeklagten hätten ein Interesse daran, die Vorbereitungen zur Freiheitsberaubung des Senators zu verbergen.
Die Geschicklichkeit der Verteidigung wurde nun jedermann klar. Richter, Geschworene und Zuschauer begriffen bald, daß der Sieg heiß umstritten werden würde. Bordin und Herr von Granville schienen alles vorausgesehen zu haben. Die Unschuld muß über ihr Tun und Lassen klar und stichhaltig Rechenschaft ablegen. Die Verteidigung hat also die Pflicht, dem unwahrscheinlichen Roman der Anklage einen wahrscheinlichen Roman entgegenzustellen. Für den Verteidiger, der seinen Klienten als unschuldig betrachtet, wird die Anklage zum Märchen. Das öffentliche Verhör der vier Edelleute erklärte die Dinge hinreichend zu ihren Gunsten. Soweit ging alles gut. Ernster jedoch war Michus Vernehmung; mit ihr begann der Kampf. Ein jeder begriff jetzt, warum Herr von Granville die Verteidigung des Dieners der seiner Herren vorgezogen hatte.
Michu gab zu, Marion bedroht zu haben, stritt jedoch ab, daß es mit der behaupteten Heftigkeit geschehen sei. Betreffs des Auflauerns von Malin sagte er aus, er sei ganz einfach im Park umhergegangen. Vielleicht hätten der Senator und Herr Grévin Angst bekommen, als sie die Mündung seines
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