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Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Eine dunkle Geschichte (German Edition)

Titel: Eine dunkle Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Arcis anzusehen, habe der Senator ihm befohlen, den Teil der Wiese umzugraben, der dem Senator am Morgen beim Spazierengehen aufgefallen sei.
    »War dort Kraut oder Papier verbrannt worden?«
    »Ich habe nichts gesehen, woraus man schließen könnte, daß Papier verbrannt worden ist«, entgegnete der Verwalter.
    »Nun,« sagten die Verteidiger, »wenn dort Kraut verbrannt worden ist, so hat es doch jemand hinschaffen und anzünden müssen.«
    Die Aussagen des Pfarrers von Cinq-Cygne und des Fräuleins Goujet machten einen günstigen Eindruck. Als sie vom Vespergottesdienst kamen und nach dem Walde gingen, sahen sie die Edelleute und Michu das Schloß verlassen und nach dem Walde reiten. Die Stellung und der gute Ruf des Abbé Goujet gaben seinen Worten Gewicht.
    Das Plädoyer des öffentlichen Anklägers, der sicher war, die Verurteilung durchzusetzen, war so, wie alle solche Anklagereden sind. Die Angeklagten waren unverbesserliche Feinde Frankreichs, seiner Einrichtungen und Gesetze. Sie hatten ein Verlangen nach Unruhen. Obwohl sie in die Attentate auf das Leben des Kaisers verwickelt waren, obwohl sie in der Armee Condés gedient hatten, hatte der hochherzige Herrscher sie von der Liste der Emigranten gestrichen. Und so zahlten sie ihm den Lohn für seine Milde! Kurz, es waren alle deklamatorischen Redensarten, die man im Namen der Bourbonen gegen die Bonapartisten wiederholt hat und die heute im Namen des jüngeren Zweiges gegen die Republikaner und die Legitimisten wiederholt werden. Diese Gemeinplätze, die bei einer befestigten Regierung einen Sinn hätten, werden zum mindesten komisch erscheinen, wenn die Geschichte sie im Munde des Staatsanwalts zu allen Zeiten gleichlautend findet. Auf sie paßt das aus älteren Wirren stammende Wort: »Die Etikette hat gewechselt, aber der Wein ist stets der gleiche!« Der öffentliche Ankläger, der übrigens einer der hervorragendsten Staatsanwälte des Kaiserreichs wurde, schrieb das Delikt der Absicht der heimgekehrten Emigranten zu, gegen die Wegnahme ihrer Güter zu protestieren. Es gelang ihm recht gut, die Zuhörer über die Lage des Senators erzittern zu lassen. Dann häufte er die Beweise, die halben Beweise, die Wahrscheinlichkeiten mit einem Talent, das durch den sicheren Lohn für seinen Eifer noch angestachelt wurde; danach setzte er sich ruhig hin und erwartete das Feuer des Verteidigers.
    Herr von Granville hat nur in dieser Kriminalsache plädiert, aber sie machte ihm einen Namen. Zunächst fand er für seine Verteidigungsrede jenen Schwung der Beredsamkeit, den wir heute bei Berryer bewundern. Dann hatte er die Überzeugung von der Unschuld der Angeklagten, die stets eins der mächtigsten Hilfsmittel des Wortes ist. Nachfolgend die Hauptpunkte seines Plädoyers, das die Zeitungen jener Zeit ungekürzt wiedergaben. Zunächst rückte er Michus Leben ins rechte Licht. Es war eine schöne Rede, in der die höchsten Gefühle widerhallten und die viele Sympathien erweckte. Als Michu sich von einer so beredten Stimme rehabilitiert sah, quollen ihm einen Augenblick die Tränen aus seinen gelben Augen und rannen über sein furchtbares Gesicht. Jetzt erschien er als das, was er wirklich war, als schlicht und verschlagen wie ein Kind, aber als ein Mann, dessen Leben nur von einem Gedanken beherrscht war. Plötzlich war sein Wesen erklärt, besonders durch seine Tränen, die tiefen Eindruck auf die Geschworenen machten. Diese Regung der Teilnahme benutzte der geschickte Verteidiger, um in die Erörterung der Klagepunkte einzutreten.
    »Wo ist das Corpus delicti? Wo ist der Senator?« fragte er. »Sie klagen uns an, ihn eingesperrt, ja mit Steinen und Kalk eingemauert zu haben! Aber dann wissen wir allein, wo er ist, und da Sie uns seit dreiundzwanzig Tagen gefangen halten, ist er aus Nahrungsmangel gestorben. Wir sind Mörder, und Sie haben uns nicht des Mordes angeklagt ... Ist er aber am Leben, so haben wir Mitschuldige; hätten wir sie und der Senator wäre am Leben, würden wir ihn dann nicht auf der Bildfläche erscheinen lassen? Nachdem die Absichten, die Sie uns zuschreiben, einmal mißlungen sind, würden wir da unsre Lage nicht unnötig verschlimmern? Durch unsre Reue könnten wir Verzeihung für eine fehlgeschlagene Rache erwirken, und wir sollten einen Menschen, von dem wir nichts erlangen konnten, dennoch weiter gefangen halten? Ist das nicht widersinnig? Tragen Sie Ihren Kalk wieder fort, er hat seinen Zweck verfehlt!« sagte er zu dem öffentlichen

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