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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Gidwitz
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hielt seinen Kopf nach oben und sah dem Dämon in die Augen. »Bitte«, sagte er. »Ich habe ihr vergeben. Hört auf, sie zu bestrafen.«
    Für einen Moment erstarrte der Dämon vor Schreck. Dann blickte er auf Hänsels dämonische Begleiter und seine Mundwinkel begannen zu zucken. Er sagte: »Netter Versuch, Junge, aber so funktioniert das hier nicht.«
    Die beiden Dämonen neben Hänsel lachten und schubsten ihn weiter. Er sah sich die Feuerkessel an und hielt nach dem leeren Krater Ausschau, der für ihn bestimmt war. Weiter hinten entdeckte er jemanden, der seine Aufmerksamkeit weckte. Es war ein schöner junger Mann mit schwarzen Haaren und auffälligen, grünen Augen. Er heulte und schrie jedes Mal, wenn sein Gesicht an die Oberfläche kam. Hänsel sah schnell wieder weg.
    Schließlich erreichten sie einen leeren Krater. Hänsel stand am Rand und blickte in das kochende Feuer.
    Bist du je an einem Wasser gestanden und wusstest genau, dass es richtig, richtig kalt war? Und du wusstest, dass du hineinspringen musst, obwohl du wirklich, wirklich nicht wolltest?
    Das ist ungefähr das gleiche Gefühl.
    Nur mit flüssigem Feuer.
    Hänsel presste seine Lippen aufeinander und ballte seine verschwitzten Hände zu Fäusten. Er schloss seine Augen. Hinter ihm hörte er die Dämonen kichern. Aber dann, bevor sie ihn schubsen, ihm einen Fußtritt geben oder einen Stoß mit der Mistgabel geben konnten, sprang Hänsel selber hinein.
    Schmerz, größerer Schmerz, als er sich je hätte vorstellen können, brannte in ihm. Jeder Millimeter von Hänsels Körper wand sich unter dem unnatürlichen und schrecklichen Brennen und wollte mit aller Kraft wieder aus dem Feuer heraus. Er begann, wie verrückt um sich zu schlagen, und versuchte, sich an die Oberfläche hochzukämpfen. Schließlich schaffte er es und für einen kurzen Moment wurde der Schmerz erträglich. Aber sofort spürte er die Mistgabel im Nacken und im Gesicht und wurde wieder nach unten gedrückt. Er wurde ins Feuer gestoßen und brannte und brannte, und nach der kühlenden Erleichterung an der Oberfläche war das Brennen noch schlimmer als zuvor.
    Ein weiteres Mal kämpfte sich Hänsel nach oben und befreite sich aus den Flammen.
    Er wollte gerade so laut er konnte schreien, als er einen der Dämonen sagen hörte: »Gib ihm dieses Mal eine Minute. Ich höre ihnen so gerne beim Jammern zu.«
    Als der Schrei gerade aus Hänsels Kehle und aus seinem Mund hinausdrängen wollte, presste er die Lippen fest aufeinander. Er sah in die schmalen, dummen und bösen Augen des Dämons. Und er dachte sich: Für dich mache ich das sicherlich nicht.
    Nach einem Moment der wunderbarsten Erleichterung stießen sie ihn wieder nach unten, und Hänsel war sich sicher, dass seine Haut verbrannte. Er kam wieder an die Oberfläche. Die Dämonen sahen ihn erwartungsvoll an. Aber anstatt zu schreien, konzentrierte sich Hänsel auf die Schreie der anderen Leidenden.
    »Es tut mir leid!«
    »Ich hasse mich für meine Taten!«
    »Wäre ich nur ein besserer Mensch gewesen!«
    »Warum schreit der hier nicht?«, fragte einer der Dämonen, als er ihn in das flüssige Feuer zurückstieß.
    Während Hänsel wieder unten war, bemerkte er, dass der Schmerz zwar schlimm war, aber nicht so schlimm wie in all den schlaflosen Nächten, in denen er sich schuldig gefühlt hatte, weil er Gretel im Stich gelassen hatte.
    Wenigstens fühlte er Schmerz und nicht Scham und Schuld. Das alles war nicht seine Schuld. Er kam wieder an die Oberfläche und lächelte die Dämonen an.
    »Mit dem stimmt was nicht!«, kreischten die Dämonen.Und sie stießen ihn wieder nach unten. Als er nach oben kam, lächelte Hänsel wieder. Und auch das nächste Mal lächelte er wieder. Und auch das nächste Mal, und die Dämonen zogen ihn aus dem Feuerkessel.
    »Etwas stimmt mit ihm nicht«, sagte der eine Dämon und stieß ihn mit der Mistgabel. Hänsel zuckte zusammen, aber gab keinen Ton von sich.
    »Wir sollten ihn zum Teufel persönlich bringen«, sagte der andere. »Mal sehen, was man da machen kann.«
    Sie führten ihn wieder einen brennenden Pfad entlang. Schon bald kamen sie zu einem Ort, an dem es keinen einzigen Feuerschlund mehr gab. Die Gegend sah fast wie ein ruhiges Wohnviertel aus. Sie bogen in eine weite Straße ein, mit Gras und Bäumen und Büschen – aber das Gras und die Büsche waren rot und die Bäume schwarz. Sie erreichten ein kleines Haus mit einem schwarzen Lattenzaun, roten Wänden und schwarzen

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