Eine Ehe in Briefen
ohne Gefühligkeit, und habe Dich doch wieder verstimmt und mich beschwert. Schenke dem keine Aufmerksamkeit. [...]
Sonja.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
6. Februar 1882. Samstag.
[Moskau]
Nun ist es Samstag, 7 Uhr des Morgens. Ich habe dem Kleinen die Brust gegeben, und es bekümmert mich so sehr, daß ich Dir solch gräßliche Briefe schreibe wie gestern. Doch so spät des Nachts bin ich müde und gereizt. Verzeih mir bitte. Ich habe den Umschlag eigens noch einmal geöffnet, um diese Notiz beizulegen. Es ist ganz natürlich, daß Du fortgefahren bist, ganz unabänderlich, Du brauchst dies, manchmal gestehe ich mir dies ein. Doch die Menschen sind Egoisten, so auch ich. [...]
Auch ich träume oft davon, in Jasnaja zu sein. Lebe wohl Liebster, ich lege mich wieder schlafen, sonst gerate ich erneutaußer Zaume, heute abend haben wir wieder eine Einladung. Ich küsse Dich, verzeih mir.
Sonja.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[6. Februar 1882]
[Jasnaja Poljana]
Samstag, 11 Uhr des Morgens, vor dem Kaffee.
Gestern fühlte ich mich von allen Tagen hier bisher am besten. Der Rücken schmerzte nicht mehr, und ich hatte mich gerade an die Arbeit gemacht, als Urussow ankam. Ich hatte ihm eben erst einen Brief geschrieben und leise angedeutet, daß er nicht kommen möge. Er kam aber, und ich war nicht eben glücklich darüber. Am Morgen habe ich ein wenig gearbeitet, und am Abend ermüdete mich das Gespräch mit ihm sehr. – Es gibt nunmehr nichts Schlimmeres für mich als Gespräche. Er trägt daran keine Schuld und ist sehr nett, doch ich habe bis ans Ende meines Lebens schon alles gesagt – und habe keine Lust mehr.
[...] Sollte ich am Leben bleiben, so reise ich am Montag oder Dienstag ab – je nachdem, wie es mit der Arbeit vorangeht und welche Nachrichten ich von Dir erhalte.
Die Pfannkuchen vorgestern waren wunderbar. Arina hat sie gebacken. Doch ich hatte gar keinen Appetit. Nun allerdings schon etwas mehr.
Gestern hat mich [Leonid] Urussow ganz durcheinander gebracht, und deshalb schrieb ich keinen Brief an Dich. Und ich habe auch von Dir außer dem ersten noch keinen erhalten. Heute kommen sicher zwei. Lebe wohl, mein Herz. Beunruhige Dich meinetwegen nicht. Mir geht es gut. Und ich liebe Dich ebenso sehr, ob Du bei mir bist oder nicht. [...]
T.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[7. Februar 1882]
[Moskau]
Zum ersten Mal in meinem Leben, lieber Ljowotschka, habe ich mich heute nicht über die Nachricht gefreut, daß Du bald kommst. Du schreibst, am Montag oder Dienstag reistest Du ab: Das bedeutet also, daß Du morgen bereits hier ankommst, wieder zu leiden beginnst, schwermütig sein wirst und lebendiger, wenngleich schweigender Vorwurf gegen mein Leben in Moskau. Bei Gott, wie schmerzt mich das und tut mir in der Seele weh!
[...] Wenn Du wohlauf bist und arbeitest, vor allem aber, wenn es Dir gut geht, warum dann hierher kommen? Daß Du mir in den alltäglichen Dingen keine Stütze bist – dies steht außer Zweifel. Bis zum jetzigen Zeitpunkt halte ich alles im Gleichgewicht und in der gewohnten Ordnung: Die Kinder sind gehorsam und zugewandt, ihre Gesundheit ist gut, und alles im Hause läuft seinen Gang. Was indes mein seelisches Leben betrifft, so ist es derart tief in mir vergraben, daß es wohl nicht allzu rasch ausgegraben werden kann.
Und es soll auch erst einmal so bleiben, ich habe Angst, es wieder auszugraben und es in Gottes Welt hinauszutragen, denn was soll ich denn damit anfangen? Diese innere, geistige Seite meines Lebens ist mit der äußeren nicht in Einklang zu bringen.
[...]
Du vermagst es nicht, Dich von jenen, die Dich so zahlreich bedrängen, abzugrenzen, sogar in Jasnaja wirst Du überfallen.
Lebe wohl, liebster Freund, wenn Du kommst, werde ich despotisch alle disputierenden Neunmalklugen von Dir fernhalten. Du wirst sehen, wie ruhig und gut es sich dann auch hier leben läßt.
Heute gehe ich einmal etwas früher zu Bett, und wenn ichGlück habe, so werde ich zu mir kommen und mich erholen. Es tut mir leid, daß Du nicht ganz wohlauf bist, Dich schwach fühlst und keinen Appetit hast. Wie kann es denn sein, daß Du trotz der Landluft Deinen Appetit nicht wiederfindest?
Lebe wohl, schreibe mir bitte, solltest Du doch nicht kommen.
Sonja.
Sonntag.
7. Februar 1882.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[27. Februar 1882]
[Jasnaja Poljana]
Ich schreibe Dir um 7
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