Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
Vom Netzwerk:
traurig; natürlich bin ich traurig, doch ich merke, wie ich zu mir finde und ungeachtet der kläglichen Gesundheit an Kraft gewinne und über alles viel besser, klarer und einfacher nachdenken kann. Vielleicht sind dies ja Träume und Erwartungen eines Hinfälligen, doch immerfort geht mir der Gedanke an ein poetisches Werk durch den Sinn.
    Wie gut könnte ich mich bei einer solchen Arbeit erholen.
    Wenn ich daran denke, ist es wie ein Bad im Sommer.
    Ich bitte Dich, sage den Kindern nichts davon. – Mit Dir aber denke ich laut.
    Gerade erhielt ich Deinen Brief in Koslowka, und das machte mich glücklich.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [5.-6. März 1882]
    [Moskau]
    Ich schreibe Dir jeden Tag zwei Briefe, lieber Ljowotschka, damit Du glücklich bist. [...] Welch freudiges Gefühl erfaßtemich, als ich las, daß Du ein poetisches Werk zu schreiben gedenkst. Dein Verlangen danach ist es, was ich so lange ersehnte. Hierin liegt Rettung und Glück; dies ist es, was uns einander wieder näherbringen wird, was Dir Trost spenden und unser Leben erleuchten wird. Dies ist deine wahre Bestimmung, für sie bist Du geschaffen, und außerhalb dieser Sphäre ist kein Leben für Dich.
    Ich weiß, daß Du Dich dazu nicht mit Gewalt zu zwingen vermagst, doch gebe Gott, daß Du dies, was in Dir aufblitzte, festzuhalten imstande sein wirst, daß in Dir dieser göttliche Funke erneut zu brennen beginnt. Dieser Gedanke bringt mich in Verzückung.
    Ich schließe jetzt diese kurze Nachricht. Es ist spät, und ich gehe zu Bett. [...] Komme, aber nur, wenn Du allzustarke Sehnsucht empfindest und es Dir notwendig erscheint, bei mir zu sein. [...] Ich sende Dir etwas Eßbares, denn ich fürchte, daß Du dort allzu spartanisch lebst. Achte auf Deine Gesundheit, erkälte Dich nicht, esse genug, schlafe gut und liebe uns.
    Sonja.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [4. März 1882]
    [Jasnaja Poljana]
    Donnerstag, 9 Uhr des Abends.
    Von mir gibt es nichts Neues zu berichten. Ich schlafe wenig und kann deshalb nicht arbeiten. Heute war es insofern besser, als ich gut und mit großem Appetit gegessen habe. Ich sitze hier mutterseelenallein – lese und lege Patiencen. [...] Sorge Dich nicht um mich und, wichtiger noch, mach Dir keine Vorwürfe. Vergib Deinen Schuldigern ... Auch ich werfe Dir schon lange nichts mehr vor. Dies tat ich nur zu Beginn. Wie ich so heruntergekommen bin, weiß ich selbst nicht. Vielleicht sind es die Jahre, vielleicht die Unpäßlichkeit, die Hämorrhoiden, docheigentlich habe ich ja keinen Grund, mich zu beschweren. Das Leben in Moskau hat mir sehr viel gegeben, hat mir meine Aufgabe klargemacht, wenn sie mir noch bevorsteht. Und es hat uns einander nähergebracht als je zuvor. [...] Ich bitte Dich, Dich in Deinen Briefen nicht zurückzuhalten, sondern alles auszuschütten, wie Gott es Dir auf Herz und Zunge legt.
    [...]
    Was machen die Großen? Sie sind doch nicht aufsässig? Sie sind es wohl, und Du bist am Verzweifeln. Aufsässig zu sein ist eine Freude, ganz gleich gegen wen, einfach etwas zu tun, das man nicht darf. Nur Engel lassen einen nicht verzweifeln. Was macht Mischas Gesundheit?
    Ich habe heute über die älteren Kinder nachgedacht. Sie denken vermutlich, daß wir keine guten Eltern seien, daß sie viel bessere haben müßten und daß sie selbst viel bessere Eltern sein werden als wir es sind. Ebenso scheint ihnen, daß Marmeladepfannkuchen das bescheidenste Mahl der Welt seien und es schlichter nicht sein könne; aber sie sind sich nicht darüber bewußt, daß Marmeladepfannkuchen dasselbe sind, wie ein Los mit dem Hauptgewinn über 200-t[ausend] zu ziehen. [...]
    Lebe wohl mein Herz. – Wenn wir am Leben bleiben, so werden wir uns bald wiedersehen und einander ebenso lieben, wie wir es zur Zeit tun. – Ich finde wieder zu meinem festen Vorsatz zurück, weniger zu predigen. Das darf man nicht. [...]
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    Dienstag, den 18. Mai [1882]
    [Moskau]
    Heute geht es Ljolja schon sehr viel besser, liebster Ljowotschka. Er nimmt kein Chinin mehr, und sein nervöses Zucken hat sich etwas gelegt. [...]
    Heute war auch Arnautow 43 hier, in einer Parfümwolke undüberaus liebenswürdig. Er sagt, es gäbe zahlreiche Interessenten für das Haus und daher könne er uns beim Preis nicht entgegenkommen 44 . [...] Ilja brachte heute eine 3 in Latein nach Hause und ist sehr zufrieden. Gestern abend hatte ich einige

Weitere Kostenlose Bücher