Eine Ehe in Briefen
Zwiespalt erlöst. Ich glaube, daß Du dabei keinen Schaden erleidest, wenn es aber der Fall wäre, so müßte Deine Freude um so größer sein, denn nur dann, wenn man irgendein Opfer für sie brachte, ist die gute Tat wahrhaft gut! [...]
Nun also helfe Dir Gott, das zu tun, was für Dich am besten ist! Du sollst aber nicht das Geringste mit Widerstreben tun! Ich für meinen Teil werde, ganz gleich, wie Du entscheidest, nichts als Zuneigung für Dich empfinden.
Wir erwarten das Telegramm und Deine Ankunft. Dieser Brief wird Dich vermutlich gerade noch erreichen.
Ich küsse Dich.
L.T. 7
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
[9. September 1891]
[Moskau]
Heute war mir ohne Euch alle, meine Lieben, ganz besonders traurig zumute, es zog mich nach Hause, und ich sah Euch alle ganz lebendig vor mir. Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkehre, habe noch nicht alles erledigt, und es tut mir weh, Andrjuscha und Mischa hier allein zu lassen. Gestern bat Andrjuscha ganz herzerweichend, ich möge nicht abreisen. [...] Die beiden sind wohlauf und haben sich an ihr neues Leben gewöhnt, obgleich Andrjuscha im Unterricht schlecht ist. Gestern waren sie mit dem Monsieur und Mitrocha 8 im Zoologischen Garten [...]. Ich verschloß die Tür und war ganz allein, las den 13. Band Korrektur. Dann deckte ich den Tisch, schleppte einen Eimer Wasser vom Brunnen herbei, und als die Kinder kamen, aßen wir. [...]
Am Nachmittag las ich erneut Korrektur des 13. Bandes, die Knaben machten ihre Aufgaben, und um 8 kamen Natascha Filosofowa 9 und Dunajew. [...] Sie berichteten von den Hungernden 10 , und wieder ergriff es mich bis ins Herz. Man möchte das alles vergessen und die Augen davor verschließen, doch das ist unmöglich. Zu helfen ist unmöglich, so vieles wird gebraucht. Und doch merkt man hier in Moskau nichts davon! Alles ist beim alten, der alte Überfluß, die Pferde und die Geschäfte und alle, auch ich, kaufen alles und richten es sich in ihren blitzblanken Eckchen ein, von wo aus wir in jene weite Ferne schauen, wo die Menschen verhungern. Wenn die Kinder nicht wären, würde ich sofort mich aufmachen, um zu helfen, und wenn ich doch nur wenigen helfen könnte, so wäre es doch besser, als nur zuzusehen, bedrückt zu sein und zu helfen nicht die Kraft zu haben.
Es bleibt mir hier noch Arbeit für etwa drei Tage. Ljowa sagt, daß das Leben in Jasnaja auch ohne mich immer besser klappt, und ich schenke dem durchaus Glauben, doch irgendwann muß ich ja zurückkehren. Die unglückselige Aufteilung des Besitzes muß schließlich auch irgendwann einmal abgeschlossen werden. Ohne mich bewegt sich in dieser Angelegenheit doch gar nichts. – Tanja, kaufe bitte in Tula Weintrauben und Wassermelonen und gib sie den Kleinen zu essen, dies ist besser als Süßes. Und sollte es kalt werden, so heizt bitte die Öfen und setzt die doppelten Fensterrahmen ein. [...] Ich küsse alle.
S.T.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[27. September 1891]
[Jasnaja Poljana]
Als Vera 11 aus Moskau hierher zurückkehrte, erzählte sie uns, wie sehr Du Dich ob unseren Entschlusses 12 beunruhigst. Dies bekümmerte uns sehr, und zwar nicht, weil wir unsere Plänedeshalb nicht in die Tat umsetzen könnten, sondern weil Dich dies bedrückt. Ich wiederhole, was ich Dir bereits im Zusammenhang mit der Erklärung bezüglich der Autorenrechte schrieb: das Wichtigste für mich ist, die Liebe und das Einvernehmen mit Dir nicht zu stören. Wir fahren nur für einige Zeit, eröffnen die Garküchen und kehren wieder zurück, werden alles tun, damit Du unbesorgt und beruhigt sein kannst. Hier sind alle gesund und munter, in Sonderheit auch ich. Gestern, als Du abgereist bist, fühlte ich mich kraftlos, doch heute nacht habe ich wunderbar geschlafen, habe deshalb heute viel geschrieben, bin weit gewandert und nach Jassenki geritten. Ich habe den Artikel über den Hunger begonnen, aber noch nicht zu Ende geschrieben, hoffe, ihn nicht zu verderben 13 . [...]
Ich küsse Dich und die Kinder.
L.T.
Von Feoktistow kam ein Brief für Dich des Inhalts, daß die Kreutzersonate nur für die Veröffentlichung in der Ausgabe der gesammelten Werke freigegeben worden sei. Sollte sie aufgrund meiner Erklärung jedoch auch als Einzelausgabe publiziert werden, so werde diese zur Veröffentlichung nicht zugelassen. Und er fragt, ob nicht ich, da dies für die Verleger einen finanziellen Verlust darstelle, öffentlich erklären könne,
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