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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Serjosha in ihrem Wagen, wir in unserem. Es war eine bitterkalte Mondnacht. Als ob es nicht Mai wäre, sondern schon Ende August. [...] Es war so schwer, wieder jene traurigen Wege entlangzufahren, die wir in den unheilvollen Tagen im Februar fuhren 128 .
    Wie ergeht es Dir, liebe Mascha, in der neuen Umgebung? Ich hoffe, daß Du, lieber Ljowotschka, in Deinem so sehr geliebten Nikolskoje wieder zu Kräften kommst. [...] Ich küsse Euch beide und bitte, alle anderen herzlich zu grüßen.
    Bleibt gesund und munter.
    S. Tolstaja.
    21. Mai 1895. In der Nacht.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [12. Oktober 1895]
    [Jasnaja Poljana]
    Die ganzen letzten Tage liegt mir ein Stein auf dem Herzen, doch ich wagte nicht, mit Dir zu sprechen, weil ich fürchtete, Dich zu verdrießen. Gleichwohl kann ich mich nicht enthalten, Dir zum letzten Mal (ich werde zumindest bemüht sein, daß es das letzte Mal ist) zu sagen, was mich so furchtbar plagt. Warum bist Du in Deinen Tagebüchern, wenn Du von mir sprichst, so ausfallend gegen mich? Warum möchtest Du, daß alle kommenden Generationen und unsere Enkel auf meinen Namen verächtlich schauen, als oberflächliche, bösartige und Dich unglücklich machende Ehefrau? Wenn es Deinen Ruhm auch mehren mag, daß Du als Opfer dastehst, so sehr zerstört es doch mich! Wenn Du mich einfach ausschimpftest oder sogar schlügest, wenn ich etwas Deiner Meinung nachSchlechtes tue, so wäre mir dies unvergleichlich leichter – denn dies vergeht, Deine Worte aber bleiben.
    Nach Wanetschkas Tod (erinnere Dich, wie er sagte: »Tu der Mamá nicht weh!«) hast Du mir versprochen, alle bösen Worte über mich aus Deinen Tagebüchern zu streichen. Doch das hast Du nicht getan, im Gegenteil. Vielleicht fürchtest Du ja tatsächlich, daß Dein Nachruhm geschmälert werde, wenn Du mich nicht als Quälgeist und Dich selbst als Märtyrer darstellst, der sein Kreuz in Person seiner Ehegattin erträgt.
    Verzeih mir, daß ich die Unredlichkeit besaß, Dein Tagebuch zu lesen. Es war ein Zufall, daß es dazu kam. Ich räumte in Deinem Zimmer auf, wischte Staub auf Deinem Schreibtisch und stieß dabei den Schlüssel vom Tisch. Die Verführung, in Deine Seele zu blicken, war zu groß, als daß ich ihr hätte widerstehen können. Und dabei stieß ich auf Worte wie: »S[onja] kam aus Moskau. Mischte sich in das Gespräch mit Boll 129 , hob ihre eigene Person hervor. Nach W[anetschkas] Tod ist sie noch oberflächlicher geworden. Ich muß mein Kreuz bis zum Ende tragen. Hilf mir, oh Gott.« Usw.
    Wenn wir beide nicht mehr sein werden, wird jeder dieses Wort oberflächlich deuten, wie es ihm gefällt, und jeder wird aufgrund Deiner Worte Deine Ehefrau mit Schmutz bewerfen.
    Und dies dafür, daß ich mein Leben lang nur für Dich und unsere Kinder gelebt und Dich mehr als jeden anderen auf der Welt geliebt habe (außer Wanetschka), daß ich mich keineswegs oberflächlich verhalten habe (auch wenn Du dies den nachfolgenden Generationen übermitteln magst) und daß ich an Körper und Geist als Deine Dir einzig ergebene Ehefrau sterben werde. Ich weiß, daß oberflächlich sich auf die Religion bezieht, doch wer wird dies schon verstehen?
    [...]
    Wenn es Dir nicht schwerfällt, so streiche doch alle diese gegen mich gerichteten Stellen aus Deinen Tagebüchern. Dies wäre schließlich nur christlich. Mich zu lieben kann ich Dich nichtbitten, doch bitte ich Dich, meinen Namen zu schonen, so tue dies, wenn Du es willst. Noch einmal versuche ich, mich an Dein Herz zu wenden. Ich schreibe dies voller Schmerz und unter Tränen. Es auszusprechen, werde ich niemals imstande sein.
    Verzeih mir, wenn Du kannst.
    S. Tolstaja. 130
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    17.-18. Oktober 1895
    [Sankt Petersburg]
    Jetzt ist es zwei Uhr in der Nacht, gerade erst sind alle auseinander gegangen. Nach der Oper 131 hatten sich bei uns alle, auch Sergej Iwanowitsch [Tanejew] zum Tee versammelt [...]. Der Erfolg der Oper war mittelmäßig, der Komponist kam viermal auf die Bühne. Es war merkwürdig, Sergej Iwanowitsch auf der Bühne im Frack zu sehen, Hand in Hand mit den Darstellern in antiken Kostümen; die Sänger applaudierten ihm wohlgesinnt. [...] Ich wollte eigentlich morgen bereits abreisen, doch im Alexandrinski-Theater wird morgen zum ersten Mal »Macht der Finsternis« aufgeführt, die Wassiljewa 132 hat mir Karten für eine Loge im ersten Rang schicken lassen. Wir werden uns das Stück

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