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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [4. November 1895]
    [Jasnaja Poljana]
    [Zusatz zu einem Brief Vera Kusminskajas]
    Der Gedanke daran, daß es Dir, liebste Freundin, nicht gut geht, läßt mich nicht los. Um unser aller willen sage ich nicht, begebe Dich in Behandlung, sondern: schone Dich.
    Dein letzter Brief an Mascha war insofern beruhigend, als Du schreibst, Du bliebest zu Hause und schontest Dich. Ich bitte Dich, tue dies, meine Liebste. Gestern habe ich die Lektüremeiner Tagebücher beendet und in Hinsicht darauf, worüber wir sprachen, einen überaus guten Eindruck erhalten. Ein jeder, der sie, wann auch immer einmal lesen wird, wird diesen Eindruck erhalten, nämlich, daß uns beide eine Liebe verband und verbindet, welche durch nichts entzweit werden kann, daß unser unterschiedlicher Glaube, d.h. der Umbruch, der sich in mir vollzogen hat, uns leiden ließ, unsere Liebe jedoch obsiegte. Es ist augenscheinlich, daß sich dies langsam vollzog und schließlich ein glückliches Ende fand. Es mußten nicht mehr als 2 S[eiten] geschwärzt werden 139 . Und auch diese hätten gar nicht geschwärzt werden müssen. [...] Ich küsse Dich und die Kinder. Tanja kränkelte etwas, nun geht es ihr wieder besser, wir alle sind wohlauf und leben einmütig zusammen.

1896
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [27. Februar 1895]
    [Nikolskoje-Oboljanowo]
    Dein Brief ist nicht eben beruhigend. Vor allem klingt aus ihm Beklommenheit und eher Trauer als Unzufriedenheit. Schreibe bitte einen schönen Brief in guter, heller Seelenstimmung. Wenngleich wir auch nicht zusammen sind, kann es mir doch nur gutgehen, wenn ich weiß, daß es Dir so gut als irgend möglich geht, daß unsere Seelen miteinander verbunden sind und wir nichts voreinander geheim halten. Es schmerzt mich, daß Du unter der Frechheit Andrjuschas und offensichtlich auch Mischas zu leiden hast; Du tust mir sehr leid, und ich würde Dich so gern vor ihrer Lieblosigkeit erretten. [...]
    Wir genießen hier vor allem die Ruhe. Ich habe alle wichtigen Briefe geschrieben und schreibe ohne Unterlaß 140 , soweit es mir in meinem Alter möglich ist. Auch Tanja scheint es gutzugehen – das wichtigste ist die Ruhe. Ich bin vollauf gesund.
    [...]
    Die Ärzte hier haben mir gesagt, das mit Deinen Augen habe einen besonderen Namen, sei aber nicht gefährlich. Zuerst habe man Fieber, es sei ansteckend und in einer Woche vorüber. Das einzige, was schwer für Dich ist, ist, daß Du ohne Beschäftigung bist. Dafür aber kannst Du Deine Tonleitern üben. Für Deine Musik habe ich von allen in der Familie das meiste Verständnis. Ich selbst habe dies, als ich in Deinem Alter war, durchlebt und weiß, wie beflügelnd es ist.
    Das Wetter ist herrlich, doch ich nutze es wenig. Jetzt mache ich mich auf zu einer längeren Wanderung. Lebe wohl einstweilen, ich küsse Dich und die Kinder.
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [1. März 1896]
    [Moskau]
    [...] Warum fühlst Du Dich denn immer noch so schwach, liebster Freund? Ißt Du denn auch gut? Denn allein Fastenspeisen zu sich zu nehmen ist nicht zuträglich. Ich habe vier Wochen lang sehr streng gefastet, aß sogar eine Zeitlang keinen Fisch, und auch ich bin nun sehr geschwächt, habe sogar abgenommen. Beim Schlittschuh- oder Treppenlaufen fehlt mir jegliche Kraft in den Beinen.
    Ich bin kaum einmal allein: Gestern war Waritschka zum Essen hier [...]. Ich ließ mich verführen und ging mit ins Konzert, es dirigierte der bekannte Nikisch 141 . Es wurden die 5. Symphonie Tschaikowskis und die Unvollendete von Schubert gegeben, beide hörte ich mit großem Vergnügen; ein Prélude von Liszt gefiel mir weniger gut, Wagner war ganz und gar gehaltlos. [...] Ich beschäftige mich weiterhin sehr viel mit der Musik, sie ist mir immer noch nicht über. Vielleicht ist es mein Beispiel, daß auch Mischa nun öfter spielt und fleißiger übt.Überhaupt sind die Kinder fleißiger und ernsthafter am Lernen, wenn im Hause nicht so viel Trubel herrscht.
    [...]
    Lieber, was soll ich Dir über mein Seelenleben erzählen? Ich weiß nichts darüber zu sagen, kann nicht eingestehen, daß ich auch weiterhin danach strebe, mit Nichtigkeiten alles zu ersticken, was mich in meinem Dasein quält, was immer noch so schmerzt, jämmerlich ist. Als ich fastete, ging es besser; nun aber suche ich wieder nach Ablenkung und Eindrücken oder aber erbebe unter einer Woge von Schwermut und Ruhelosigkeit, und dann laufe ich

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