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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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wieder irgendwohin – aus dem Haus, weg vor mir selbst. In letzter Zeit habe ich, Gott sei’s gedankt, viel zu tun.
    [...]
    Bin sehr froh, wenn es Euch gutgeht, ich jedoch liebe die Ruhe nicht mehr – o weh! Und noch weniger liebe ich die Einsamkeit.
    Unser Haus ist ganz eingeschneit, es ist ein Graus. Wie mag es erst auf dem Land sein!
    Nun denn also, lebe wohl, liebster Freund. Ich danke Dir, daß Du mir schreibst. Niemals zuvor hielt ich es für so unerläßlich wie dieses Mal, daß Du Dich von den Menschen erholst, doch kaum bist Du fort, ist es jedesmal düster. Deine Schwäche bekümmert mich sehr, doch Du bist alt an Jahren und – ob Du es möchtest oder nicht –, Du mußt dies doch anerkennen. Es ist traurig!
    Deine Sonja Tolstaja.
    Ich küsse Dich und Tanja. Grüße an alle.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [3. März 1896]
    [Nikolskoje-Oboljanowo]
    [...] Dir geht es, liebe Sonja, soweit ich aus dem Brief ersehe, gut an Körper und Seele. Ich möchte Dir sagen, daß Dein Wunsch nach Selbstvergessen vielleicht sehr natürlich, aber kaum erfüllbar ist. Denn vergißt man sich, so verschiebt man nur die Lösung der Frage, die doch dieselbe bleibt und die zu beantworten, wenn nicht in dieser Welt, so doch in der Zukunft, das heißt nach unserem körperlichen Tod, gleich wichtig ist. Die Spiritisten sagen: Tötet man sich selbst, so muß man dasselbe Leben noch einmal leben; so auch hier: Die Lösung der Frage des Lebens und die des Todes – des eigenen und jenes unserer Nächsten – ist unvermeidlich, ihr kann man nicht entgehen. Dies alles wollte ich Dir längst schon sagen, doch ich habe es nicht getan, weil man das alles selbst erleben und erreichen muß. Ich sage nur, daß es wundervoll ist, nicht nur zu wissen, sondern auch zu fühlen, daß dieses Leben nicht endlich, sondern unendlich ist. Sobald man dieses Gefühl erreicht hat, verändert sich der Wert aller Dinge und Empfindungen, es ist, als ob man aus einem engen Kerker in Gottes weite, eigentliche Welt heraustritt. Ich fühle mich besser, habe heute gearbeitet, gehe viel spazieren und genieße die Ruhe und die Freiheit von den Forderungen der Mitmenschen an mich. Auch Tanja scheint es gutzugehen. [...] Ich küsse Dich, Liebste, und Sascha und Mischa.
    L.T.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [16. September 1896]
    [Jasnaja Poljana]
    Wie leid Du mir doch tust, ich vermag gar nicht zu sagen, wie sehr. Das Wetter ist ganz genau wie an jenem Tag, als wir DeinenNamenstag mit Musik des Oberst Junoscha feierten und auf der Terrasse tanzten 142 . Besonders schade finde ich, daß Du Deinen Namenstag nicht mit uns gemeinsam feiern wirst. [...] Ich denke ohne Unterlaß an Dich.
    L.T.
    Wir feierten Deinen Namenstag in jenem Jahr, als Dagmar nach Rußland kam. Es ist 20 Jahre her 143 . Es war ein schönes Gefühl, welches ich damals für Dich empfand. Ich erinnere mich gut daran.
    [...]
    Nun also, lebe wohl einstweilen. Es ist schade, daß Du morgen nicht bei uns sein wirst. Das Wetter wird hoffentlich ebenso feierlich sein. Ich küsse Mischa. Sollte er tatsächlich nicht bald erwachsen werden und seiner eigenen Wege gehen, sondern sein Leben lang darauf warten, daß ihm jemand die Schnürsenkel bindet?
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [27. oder 28. Oktober 1896]
    [Moskau]
    Allein zu lesen.
    Lieber Ljowotschka, Deine Briefe sind für mich wie Deine Hand, die mich von hinten ergriff und leitete, als ich mich vor dem herannahenden Zug erschreckte und gar nicht mehr wußte, wohin. Sei bedankt für Deine Briefe; ich bin Deiner Güte nicht würdig, fühle mich um so vieles schlechter als Du, daß ich glaube, niemals ebenjenen geistigen und seelischen Zustand erreichen zu können wie Du. Doch ich werde bemüht sein, wenigstens jenen Zustand zu erreichen, Dich niemals mehr zu verletzen, selbst mit Nichtigkeiten. Ich bin noch weit davon entfernt, seelische Ruhe zu empfinden, und den Weg, wieder ein nützliches Leben zu beginnen, sehe ich noch nicht vor mir. Alles weist zurück, und wenn ich nach vorneblicke, sehe ich nur Finsternis. Es ist besser, nicht in diese Richtung zu blicken. Meine gesamte Lebenskraft, derer ich, wie Du meinst, so viel habe, ist auf das Vergessen gerichtet. Und wenn ich dies nicht erreiche, so werde ich sogleich von Schwermut übermannt. Seit ich in Jasnaja war, geht es mir allerdings besser, fühle ich mich frohgemuter und sicherer. [...]
    Andrjuscha ist gestern

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