Eine eigene Frau
interessierte ich mich nicht, aber die Kunden sehr wohl. Schließlich fand ich einen Unternehmer, der als Vorbild taugte.
Der Mann war Schotte, der sich in Finnland niedergelassen hatte, und er bot seine Dienste im Internet unter dem Stichwort »Charlies Steinwälle« an. Charlie schien ein Meister auf diesem Gebiet zu sein. Dort, wo er herkam, gingen einem die Steine nicht so schnell aus. Schon vor tausenden Jahren hätten die Schotten Kaltmauern errichtet, hieß es in dem historischen Überblick, der auf der gründlich gemachten Homepage enthalten war.
Charlie erklärte die Prinzipien des Trockenmauerns und zählte auf, welche Art von Konstruktionen man sich in Hof und Garten anfertigen lassen konnte. Er beschrieb die verschiedenen Steinsorten, die in Finnland erhältlich waren und zu welchem Verwendungszweck sie sich eigneten, und er erläuterte die Auswirkungen der Steinkonstruktionen auf die Kleinökologie des Gartens. Mauern eignen sich als Nährboden für etliche Kletterpflanzen und andere Gewächse, die sich auf Stein wohlfühlen. Ein Natursteinwall bietet ein günstiges Umfeld für nützliche Kleinlebewesen, im Gegensatz zu Konstruktionen aus Betonteilen. Stein erhält mit dem Alter außerdem eine schöne Patina, wohingegen Beton irgendwann nur noch unsauber aussieht. Natursteingebilde eignen sich besonders gut für kleine Vorortgrundstücke. Kein Garten ist zu klein für ein maßgeschneidertes Stück Mauer oder ein Säulenpaar. Eindrucksvolle Natursteinelemente können mit überraschend geringem Kostenaufwand die Attraktivität eines Grundstücks erheblich steigern.
Der Mann wusste, wie man sich vermarktet. Mir wurde klar, wie sehr ich mit meinem sturen Versuch, zig Meter lange Einfassungen und Terrassenwände zu bauen, falschgelegen hatte.
In meinem Größenwahn hatte ich mir sogar vorgenommen, zum Herrenhaus Joensuu zu fahren und von Arvi Malmberg und meiner Großmutter Saida zu erzählen, die dort einst gewohnt hatten. Ich hatte mir vorgestellt, bei der Gelegenheit Bankier Nalle Wahlroos, dem jetzigen Besitzer des Gutes, vorzuschlagen, nach dem Vorbild vieler anderer Herrenhöfe mehrere hundert Meter Steinwälle für die Ländereien des Guts in Auftrag zu geben. Dafür wären Jahre draufgegangen – und meine Gesundheit. Ein einzelner Mann kann keine chinesische Trockenmauer aufschichten. Kleine, attraktive Konstruktionen für kleine Vorortgärten mit überschaubaren Kosten für den Auftraggeber, das musste die Grundidee des Ganzen sein. Dankbar verließ ich Charlies Homepage und machte mich mit dem Fahrrad auf den Weg in die weitläufigen Einfamilienhaussiedlungen von Salo und Halikko. Nachdem ich genug gesehen hatte, fuhr ich mit einer Flasche Kognak in der Tasche weiter zu dem Altersheim in Salo, in dem der alte Tammisto heute lebte.
Am Abend rief ich meinen Sohn an und bat ihn um Rat beim Erstellen einer Homepage.
»Am besten machst du gar nichts.«
»Irgendwas muss ich doch machen können. Sag mir einfach am Telefon, wie es geht.«
»Versuch es gar nicht erst, dir stürzt bloß der Rechner ab! Ich seh zu, dass ich mir ein paar Tage freinehme, dann komme ich zu dir, und wir machen es zusammen. Okay?«
Die Stimme des Jungen klang erschreckend männlich. Auch sein Tonfall war irgendwie fürsorglich. Mir kamen fast die Tränen vor Dankbarkeit und Erleichterung. Mein Sohn hasste mich jedenfalls nicht, wie es meine Frau behauptet hatte.
In den Wochen zuvor hatten wir uns ab und zu gegenseitig angerufen und jedes Mal ziemlich kurz telefoniert, weil es für einen von beiden gerade ungünstig war. Es verging kein Tag, an dem ich meinen Jungen nicht vermisste, seine heitere, scherzende, aber auch freundlich-derbe Art. Was für eine Vorstellung, Jimi bald wiederzusehen, und auch noch in Vartsala! Hier könnte ich ihm ganz selbstverständlich von den vielen wichtigen Dingen erzählen, von denen er noch überhaupt nichts wusste.
Begeistert von dem Versprechen des Jungen, unterbrach ich den Abbau des Ofens und ging in die Dachkammer, um zu sehen, ob man dort angenehm übernachten könnte. Als Erstes räumte ich die sauber zusammengelegten Pullover und Hosen aus dem mit einem ovalen Spiegel versehenen Kleiderschrank und steckte sie in einen Müllsack. Dann nahm ich die Jacken und Blaumänner von den Bügeln. Hemden hatte Knopf-Arvi kein einziges gehabt. Es war nicht möglich gewesen, weil sie Knöpfe gehabt hätten.
Es muss so gegen sechs Uhr gewesen sein, als mir klar wurde, woher Arvis Spitzname
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