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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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indem er Bobrikow erschoss. Und sich selbst. Eine bewundernswerte Tat für einen Mann, der das ganze Leben noch vor sich hatte.«
    Na ja, denkt Joel, junge Männer in dem Alter tun allerhand schmutzige Dinge, schon allein aus lauter Geilheit, aber alle Achtung davor, dass sich der Quatsch in diesem Fall tatsächlich als gut fürs Vaterland erwiesen hat. Allerdings sollte jetzt eigentlich nicht die Rede von einem nervlich überspannten Herrschaftssöhnchen sein, sondern von Joel und vom Fliegen.
    Joel beschreibt die Demoiselle, Direktor Aarnos, also Kalles Flugzeug, das erste seiner Art in Finnland. Nach einer ausführlichen Schilderung der Maschine erzählt er, wie er von Aarnos erstem, missglücktem Flugversuch erfuhr und wie er beschloss, dem Aeroklub Tampere beizutreten, der Freiwilligengruppe, die all ihre freie Zeit der Reparatur und Weiterentwicklung der großartigen Maschine opferte.
    Selma erhält eine detaillierte Erläuterung darüber, wie Joel sich auf das Steuern der Maschine beim zweiten Flugversuch vorbereitete. Der erste Aufstieg in die Luft war aus mehreren Gründen gescheitert, aber der zweite wurde gründlich geplant. Eine wichtige Anforderung lautete: Der Flieger musste leicht sein, unter 60 Kilo, eine Gewichtsanforderung, die der Direktor selbst leider nicht mehr erfüllte. So sah es jedenfalls lange aus.
    Er überraschte jedoch alle, indem er wenige Wochen vor dem neuen Versuch eine strenge Fastenkur begann und tatsächlich so dicht an die Gewichtsgrenze herankam, dass er im letzten Moment beschloss, selbst ans Steuer zu springen. Für Joel war das natürlich eine tiefe Enttäuschung, und jeder könne sich vorstellen, in welchem Maße genau diese Entscheidung sich auf das zweite und diesmal fatale Misslingen auswirkte.
    »Ach, das ging auch schief?«
    Selma gähnt. Sie hat sich in einen grünen, mit Samt bezogenen Sessel gesetzt und lässt die Beine über die Armlehne baumeln. Die Augen sind ihr halb zugefallen. Joel findet, dass sie offenbar noch nicht versteht, um was für eine bedeutende Herausforderung es bei jenem Versuch ging, worauf er die äußeren Bedingungen am Flugtag genau darlegt.
    Das Wetter war an sich hervorragend, aber der Wind wehte eher stark und aus nördlicher Richtung. Der Motor, der viel Verdruss bereitet hatte, war auch diesmal nicht in der wohlwollendsten Verfassung, lediglich zu kurzen Höhenflügen bereit, lief auf dem rechten Zylinder jedoch deutlich besser als je zuvor. Außerdem hatte Kalle mit der Zeit gelernt, das Steuerruder so einzusetzen, dass das Fräulein nicht mehr ganz nach eigener Lust und Laune Bögen machte.
    Selma verstehe doch, dass Fräulein eine scherzhafte Übersetzung des Namens Demoiselle sei?
    »Hmm …«
    Na gut, jedenfalls bestand Joels verantwortungsvolle Aufgabe darin, zusammen mit zwei weiteren Helfern die Maschine festzuhalten. Anfangs lief alles, wie es sollte, aber dann sprang der Motor an, und das Fräulein sorgte unvermutet für eine Überraschung, und beide Zylinder fingen mit voller Leistung an zu funktionieren.
    »So, so.«
    Selma dürfe wohl glauben, dass dies im denkbar unpassendsten Moment geschah! Alle waren vollkommen perplex, als das Fräulein sich losriss und mit irrsinniger Geschwindigkeit über das Eis raste. Um ein Haar hätte der Propeller den Mann, der den Motor angelassen hatte, zerschmettert, aber zum Glück sei nur dessen Jacke zerrissen. Als Joel sah, was mit der Jacke geschah, wagte er es einfach nicht, die Maschine loszulassen. Er konnte es auch gar nicht mehr. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich auf den Rumpf der Maschine zu schwingen. Für einen Moment war auch alles gut, aber das Fräulein wurde immer schneller, so schnell wie noch nie, und am meisten beunruhigte das den Lenker. Dieser hätte sofort den Stromkreis unterbrechen müssen, das war klar. Dass er es nicht getan hatte, war eigentlich ziemlich merkwürdig, wenn man bedachte, dass er den Schalter in der Hand hielt, unmittelbar unter dem Daumen.
    An dieser Stelle muss Joel mit ausgebreiteten Armen durch das Zimmer laufen, um Selma zu veranschaulichen, wie ernst so eine Situation bei starkem Rückenwind ist, wenn die Maschine einen immer stärkeren Bogen nach rechts fährt.
    Na gut, für einen Augenblick sah es für Joel so aus, als hätte Kalle vor, in einem Bogen gegen den Wind zu fahren, um plötzlich in die Luft aufsteigen zu können, aber da der Wind die Maschine von der Seite traf, neigte sie sich abrupt. Joel hatte nun Schwierigkeiten, das

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