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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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nichts sehen, weil das Glas der einzigen Lampe verrußt war und weil so viel Dampf aus dem Waschkessel kam. Das war unangenehm.
    »Aber plötzlich war unser Vorsitzender ganz versessen darauf, die Bedingungen für die Häftlinge zu verbessern, weil er unter ihnen einen guten Kumpel ausgemacht hatte.«
    Kustaa schaut Joel fragend an.
    »Na ja, Richter Sahlberg war dabei. Er ist zufällig Mitglied im Aeroclub Turku. Na und?«
    »Ein vermögender Mann«, sagt Herman. »Schien gut mit den Wärtern auszukommen. Man hat ihm eine große Kiste Gebäck aus Lehtinens Café angeschleppt. Und eine Kanne Plörre. Unsereiner hat es mit eigenen Augen gesehen, nicht wahr?«
    »Ja, ja. Du warst so benebelt, dass deine Augen so gut wie keinen Zeugenwert haben. Hast du jetzt auch schon wieder einen sitzen?«
    Joels Stimme knirscht vor Verzweiflung. Er wünschte wirklich, Herman würde endlich den Mund halten. Aber Joel hat es sich natürlich selbst zuzuschreiben, dass er gegen jedes bessere Wissen bereit war, Herman Harjula mitzunehmen. Lernt er es denn nie? Der Mann ist inzwischen einfach nicht mehr zu halten.
    »Kann sein. Ich frag keinen um Erlaubnis.«
    »Hoffentlich kommen wenigstens die Klinken richtig herum an die Tür.«
    »Da mach dir mal keine Sorgen.«
    Hermans Beobachtungen treffen leider zu. Als Joel den Richter Sahlberg unter den Gefangenen entdeckte, war das für ihn eine äußerst peinliche Überraschung, und als der Richter dann auch ihn sah, waren Schwierigkeiten nicht mehr zu vermeiden.
    Joel schuldete Sahlberg einen Flugzeugmotor, das war nicht zu bestreiten. Selbstverständlich besaß er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Lebensmittelkomitees Halikko ebenso wenig wie als stellvertretender Kommandant der Garde des Dörfchens Vartsala die Voraussetzungen, um auf die Festnahme selbst einwirken zu können, aber er musste wenigstens versuchen, die Wünsche, die der Richter ihm hastig ins Ohr flüsterte, zu erfüllen. So unbedacht sie auch waren und so seltsam sie Joel unter den herrschenden Umständen vorkamen.
    »Was glaubst du, wird man mit ihnen machen?«, fragt Kustaa.
    »Keine Ahnung.«
    Gereizt breitet Joel die Arme aus. Die Tatsache, dass er hier diverse Papiere unterschrieben habe und bei Bedarf Reden zur Aufrechterhaltung der Moral halte, bedeute noch lange nicht, dass er die Zukunft vorhersehen könne. Auch er sei nur ein Mensch. Wenngleich er oft das Gefühl habe, bloß ein unbedeutend kleiner Asteroid in der Umlaufbahn der Planeten zu sein. Ein winzig kleines Steinchen im Universum. Aber trotzdem Teil des Systems.
    »Ein unbedeutend kleiner Asteroid, der mit 8000 Mark im Säckel durch die Gegend zuckelt.«
    »Ich wollte den Kalk ja nicht für mich. Das haben andere beschlossen. Ich bin überhaupt nicht scharf darauf, irgendeine Art von Revolutionsheld zu werden.«
    Herman nickt. Genau, die wahren Helden zeigen ihren Mut auf dem Schlachtfeld, und die kühnsten von ihnen seien die Flieger; für die sei der Himmel die Haupttribüne und Gott der einzige Zuschauer.
    »Seit wann glaubt Herman Harjula wieder an Gott?«, will Kustaa wissen.
    »Ich habe immer an ihn geglaubt, mein Lieber«, sagt Herman. »Aber es hat eben ziemlich lang gedauert, bis ich herausgefunden habe, dass Unser Vater im Himmel offenbar ein ewiger Schluckspecht ist.«
    »Hä?«
    »Ja, der ist genauso hinter dem Schnaps her wie seine Geschöpfe.«
    Herman erklärt, seitdem er selbst ab und zu mal einen hebe, sei es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen, und ihm sei unweigerlich gedämmert, was es mit den früheren und jetzigen Problemen der Menschheit auf sich habe. Für ein solches Durcheinander könne es schlicht und einfach nur eine Erklärung geben: Die Welt ist im Suff erschaffen worden und werde im Suff geführt.
    »Aha«, sagt Joel mürrisch, jedoch erleichtert über den Themenwechsel.
    »Und was tut man normalerweise, wenn man betrunken ist?«, fragt Herman, wobei er den Flachmann aus der Tasche zieht. Man denkt sich einen Zeitvertreib aus. Man spielt Durak mit drei Karten oder veranstaltet einen Hahnenkampf. Der Herr aber muss sich nicht mit so billigen Vergnügungen abgeben. Schließlich besitzt er die Macht, ganze Völker aufeinanderzuhetzen.
    »Eben.«
    Ganz genau so! Herman kann sich sehr gut vorstellen, wie Gott ein ums andere Mal hoffnungsvoll auf der himmlischen Tribüne Platz nimmt, voller Interesse, was für neue Apparate seine Geschöpfe in ihrem großen Erfindungsreichtum wieder entwickelt haben, während er sein

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