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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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der Fabrik dabei und kann bezeugen, dass die Zahlung auf den Pfennig dem entspricht, was auf der Rechnung steht. 8920 verdammte Mark und 64 verfluchte Pfennige.«
    Herman stößt einen Pfiff aus.
    »Das sind die großen Herren, die mit dem Jahreslohn von sieben Männern in der Tasche durch die Provinz reisen.«
    »Zucker kostet, zum Donnerwetter. Was soll das hier überhaupt? Es glaubt doch wohl keiner, ich und Venho würden was in die eigene Tasche stecken?«
    »Tja, soweit ich weiß, bist du schon immer scharf auf Süßes gewesen«, sagt Herman. »Und Osku auch. Aber wo kriegen wir anderen was her? Lennu hat sich gerade beklagt, dass man die Werte auf den Zuckermarken bald nicht mehr lesen kann, wenn sie noch kleiner werden.«
    »Ich sitze nicht auf dem Zucker«, sagt Joel.
    Verstehen die Leute denn nicht, dass die Wünsche des Vorsitzenden vom Lebensmittelkomitee Halikko kein bisschen ins Gewicht fallen, wenn der Stab in Turku eine Anordnung erteilt? Dann muss der junge Tammisto schon ein bisschen zurückstecken. Oder geben wir es zu: mehr als ein bisschen. Dann geht die Fuhre ab. Wenn es in Turku oder Tampere verlangt wird, muss eine ganze Zugladung voll wer weiß was geliefert werden. Joel kann da nichts tun. Aber eine Grenze zieht er: Auf der Fuhre dürfen keine abgeschnittenen Menschenköpfe hin und her rollen.
    »In letzter Zeit war sie freilich ein bisschen blass, die Grenze«, sagt Herman.
    »Wieso?«
    Herman weist auf die Fahrt nach Turku in der Vorwoche hin. Da wurden mit demselben Transport zwei Bauern aus Halikko zum Stab der Roten gebracht.
    »Ja, aber nicht auf meine Veranlassung. Im Gegenteil, ich bin ja gerade dagegen gewesen. Vor allem mit Mikkola hat es nie irgendwelche Scherereien gegeben.«
    »Er ist immerhin der erste Mann des örtlichen Schutzkorps gewesen«, bringt Kustaa in Erinnerung.
    Joel zuckt mit den Schultern.
    »Ich halte den Mikkola trotzdem für einen anständigen Menschen.«
    »Ich auch«, sagt Herman. »Bis dann euer Gardekommandant in der Tasche von dem Alten ein Gebetbuch gefunden und gefragt hat, was er damit macht. Darauf er, das sei seine Zuflucht, wenn alles andere ins Schwanken gerät. Ich mein ja bloß, wenn ein Mann nur das als Rettungsleine hat, dann geht die Fahrt nicht gut aus.«
    »Entschuldige, aber Booth ist der Kommandant von Halikko. Meine Zuständigkeit erstreckt sich nicht auf ihn.«
    »Das ist schon ein bequemes, praktisches Wort, diese Zuständigkeit. Die lässt sich je nach Bedarf auslegen.«
    »Nicht bei mir«, sagt Joel beleidigt.
    Für ihn ist Hermans Einstellung unbegreiflich. Geradezu indiskutabel. Hat Joel nicht eben am Telefon eindeutig bewiesen, dass er ein Mann ist, der an seinen Prinzipien festhält?
    »Werden die aus Halikko noch immer dort gefangen gehalten?«, fragt Kustaa.
    Beim anderen Bauern weiß es Joel nicht, aber den Mikkola hat er bei seinem letzten Besuch in Turku gesehen. Der Mann musste mit anderen Festgenommenen durch die Stadt zum Gebäude der Bezirksverwaltung marschieren. Der Keller in der Seefahrtsschule war wohl zu eng geworden.
    »Denen fehlt in der neuen Unterkunft nichts, dort ist es warm und hübsch. Da dürfen die Herren auf richtigen Orientteppichen schlafen, und die Verpflegung funktioniert.«
    »In dem Smolny war es trostloser, was?«, sagt Herman.
    »Auch dort bekamen die Gefangenen anständig zu essen.«
    Und außerdem heiße der Palast noch immer Seefahrtsschule und nicht Smolny, soweit er, Joel, richtig informiert sei.
    »Genau, der Seeblick ist da prächtig. Vor allem im zweiten Stock. Im Hauptquartier. Im Keller dagegen nicht so.«
    Zu Joels Verdruss fängt Herman an, ausführlich das Gebäude zu beschreiben, das Treppenhaus und Einzelheiten des Mobiliars, die großen, mit Leder bespannten Stühle, auf denen die Männer vom Stab saßen, mit ihren roten Abzeichen am Revers, die Gewehre, Bajonette und Patronentaschen neben sich.
    »Ich glaube, Kustaa hat jetzt eine ausreichende Vorstellung«, sagt Joel in der inständigen Hoffnung, dass endlich das Thema gewechselt würde.
    Aber nein. Herman will noch von der Waschküche erzählen, in der sie, wie es scheint, gefangene weiße Zivilisten aufbewahren. Und von all dem erzählt er so laut, dass man es mit Sicherheit auch außerhalb des Raums hört.
    »Die Männer müssen da auf dem blanken Fußboden schlafen.«
    Oder na ja, ein paar Bänke stehen schon herum, gibt Herman zu, aber viele können es sich darauf nicht bequem machen. Anfangs konnte man auch so gut wie gar

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