Eine eigene Frau
soll ich das wissen? Du bist doch derjenige, der sich auf Joensuu herumtreibt.«
»Ja, und du kannst dir bestimmt vorstellen, dass sie da wie die Hornissen hinter mir her sind. Der Mann ist seit einer Woche nicht mehr gesehen worden. Joensuu ist unsere größte Vorratskammer, verflucht! Das Gut braucht seinen Verwalter, und zwar verdammt schnell!«
»Zweifellos. Aber was schreist du mich deswegen an?«
»In Turku wird er nicht festgehalten. Dort wundert man sich eher noch über diesen Gang der Dinge.«
Luukkonen hebt die Decke auf dem großen Tisch im Kabinett und blickt darunter.
»Hier scheint er auch nicht zu sein.«
»Du kannst nicht abstreiten, dass Munck mit einer Verfügung von uns geholt worden ist. Damit ist mir schon mehr als einmal heulend und wütend vor dem Gesicht herumgefuchtelt worden.«
»Mit einer Verfügung von Booth, nicht von mir!«
»Der Kommandant der Roten Garde Halikko ist dem Stabskommandanten von Salo erklärungspflichtig.«
»Und ich bin es gegenüber dem Stab in Turku!«, brüllt Luukkonen mit feuerrotem Kopf und knallt den leeren Becher auf den Tisch. »Aber nicht dem Vorsitzenden des Lebensmittelkomitees Halikko, zum Donnerwetter!«
Luukkonen schiebt sich einen Strömling in den Mund, füllt seinen Becher und stellt sich damit ans Fenster, den Männern den Rücken zugekehrt. Eine starke Windböe, die Sturm verheißt, lässt die rote Fahne an der Hotelfassade flattern.
»Aber wenn wir, äh … noch mal auf die beiden Jungen zurückkommen«, sagt Sakari und sieht Joel in der Hoffnung auf Unterstützung an. Doch Joel geht überraschend dazu über, zu dem Rücken des Kommandanten über ein anderes Thema zu sprechen, das ihn während der letzten Tage schwer aufgeregt hat. Auch Sakari weiß davon. Vor gut einer Woche brachten unbekannte Männer die Leiche von Emil Penkere, dem Kassier der Ziegelei Marttila, die sie gut einen Kilometer vom Bahnhof entfernt gefunden hatten, in den Flur des Lebensmittelkomitees. Man wusste, dass der in Halikko festgenommene Penkere mehrere Tage lang beim Stab in Turku zum Verhör gewesen, dann aber laut seiner roten Begleiter freigelassen worden war und am Bahnhof Halikko aus dem Zug steigen durfte.
Joel fand es empörend, dass man einfach so eine männliche Leiche voller Löcher in den Vorraum seiner Kanzlei warf, ohne dass jemand auch nur das geringste Interesse hatte, Ermittlungen einzuleiten. Wieso ist noch immer nicht das Revolutionsgericht zusammengetreten, um zu klären, was da eigentlich vorgefallen ist?!
Luukkonen breitet die Arme aus.
»Keine Zeit gehabt.«
»Das war immerhin ein Mord, verdammt! Wenn so ein Verbrechen vor meiner Tür passiert, kann man das nicht einfach so auf sich beruhen lassen!«
Endlich hat der Kommandant die Güte, sich umzudrehen. Er kehrt zum Tisch zurück und blättert gleichgültig in seinen Unterlagen.
»Wir haben den Mord nicht begangen«, sagt er.
»Ach nein?«
Der Gardekommandant erklärt trocken, er wisse zwar, dass man Penkere in Turku gründlich in die Mangel genommen habe, weil er bekanntermaßen mit einem großen Geldsack unterwegs gewesen sei mit der festen Absicht, Waffen für das Schutzkorps zu beschaffen. Was er auch zugegeben habe, nachdem ihm genügend zugesetzt worden sei, aber er habe auch erzählt, das Geld weitergegeben zu haben. Vermutlich habe man herausgefunden, an wen. Jedenfalls sei der Herr Ziegeleikassier nach Marttila zurückgeschickt worden, um dort wegen des Versuchs der Revolutionsschädigung verurteilt zu werden.
»Und warum ist er dann in Halikko aus dem Zug gestiegen … oder hinausgeworfen worden, dreißig Kilometer von Marttila entfernt? Und warum, zum Teufel, hat man ihn überhaupt in den Zug gesteckt, wenn er eigentlich von Turku aus zur Landstraße nach Forssa gebracht werden sollte?«
Das weiß Luukkonen nicht, aber er ist überzeugt, dass vom Stab in Turku kein Mordauftrag erteilt worden ist.
»Und schon gar nicht von mir, falls du dir das eingebildet haben solltest!«
Joel versichert energisch, dass es nicht die geringste Rolle spiele, was er sich einbilde oder nicht.
»Ich bin ein Mann des Gesetzes und verlange eine gründliche Verhandlung des Falls vor dem Revolutionsgericht.«
»Ganz schnell sind es die eigenen Hunde, die einen beißen«, sagt Luukkonen mit finsterem Lachen. »Weißt du, den Bauern hat es nicht unbedingt gefallen, dass der Herr Ziegeleikassier einfach so für weiße, vaterländische Zwecke die Kasse konfisziert hat, aus der er den Bauern den
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