Eine eigene Frau
erwachsene und vollkommen ausgebildete Reitpferde verwandeln. Auch hat er nie eine so schmerzliche Sorge und Unruhe wegen eines lebendigen Wesens empfunden wie in diesem Winter für seine Zöglinge, als die Beschlagnahmungskommandos der Roten auf das Gut kamen und tonnenweise Lebensmittel und Dutzende von Pferden und Fahrzeugen mitnahmen.
Arvi ist es gelungen, seine Tiere unter Berufung auf ihr geringes Alter aus der Zwangsenteignung herauszuhalten. Es wurden Arbeitspferde gebraucht. Mit Warmblütern, deren Ausbildung noch nicht abgeschlossen war, konnten sie nichts anfangen. Arvi hatte versichert, man würde sie nicht einmal in Bewegung setzen können, denn vorläufig gehorchten sie nur ihrem Ausbilder.
Aber jetzt, da die Weißen näher rücken, ist den verzweifelten Roten jedes Pferd recht. Sie haben eine Fluchtkarawane organisiert, mit dem Ziel, das rote Russland zu erreichen. Arvi ist sicher, dass es im Chaos des Aufbruchs sinnlos wäre zu erklären, ein edelblütiges Reitpferd eigne sich nicht zum Ziehen eines Fuhrwagens oder eines Schlittens. Viele fliehen zu Pferd, ob sie reiten können oder nicht. Bis zu diesem Morgen ist es Arvi gelungen, seine Tiere zu beschützen, und er hat nicht vor, eines davon in die Hände der panischen Roten zu geben.
Die Sonne scheint bereits und taut die bedeckte Erde mit dem verdorrten Gras des Vorjahres auf. Nun hinterlassen die Pferde eine schlammige Furche, aber Arvi glaubt nicht, dass die Flüchtigen ihre Suche nach Zugtieren so weit ausdehnen werden. Er hat bereits die Landstraße nach Turku überquert und reitet über Märynummi auf Vaskio zu. Dort steht die Scheune, zu der er will, so wie Bauer Mikkola es ihm empfohlen hat.
Arvi will nicht daran denken, welches Schicksal auf die Roten wartet. Als noch Züge verkehrten, fuhr Tante Betty nach Helsinki, mit Sankt Petersburg als eigentlichem Ziel. Sie glaubte, die Rache der Weißen werde erbarmungslos sein, weshalb sie deren Ankunft nicht abwarten wollte. Aber durfte er die Frau noch Tante Betty nennen?
Bis zu dem Morgen, an dem sie ihn bat, sie mitsamt den Koffern zum Bahnhof zu bringen, hatte Arvi sie auf eine bestimmte Art gemocht, auch wenn er wusste, was über sie geredet wurde.
Bettys Besuche waren immer schön für ihn gewesen. Als er noch klein war, nahm sie ihn auf den Schoß und lobte ihn, wie tüchtig und prächtig er seit dem letzten Mal geworden sei.
Stets hatte die Tante gut gerochen und in den Augen des Jungen wundervoll ausgesehen. Überdies hatte sie ihm auch noch kleine Geschenke mitgebracht: einen Kreisel, Schnürschuhe, einen Griffelkasten und ein Holzpferd mit blauen Flügeln. Die Flügel bewegten sich, wenn man das Pferd irgendwo aufhängte und an der kleinen Schnur zog, die von seinem Bauch herabhing. Besonders um dieses geflügelte Pferd hatten ihn viele Kinder beneidet, und wenn sie hörten, von wem er es bekommen hatte, beeilten sie sich, ihn aufzuklären, es sei durch Hurerei erkauft, also mit dem Arsch bezahlt worden.
Als Betty im Januar auf dem Gut erschien, wusste Arvi nicht recht, wie er ihr begegnen sollte, gewöhnte sich aber bald an die Anwesenheit der unablässig vor sich hin summenden Frau. Als Erstes schrubbte Betty die Gärtnerwohnung vom Fußboden bis zur Decke, bügelte jedes einzelne Handtuch, mangelte die Laken und brachte sämtliche Kleiderschränke und Truhen in militärische Ordnung. Ständig war sie mit etwas beschäftigt, aber im Gegensatz zu ihrer Schwester Olga bezichtigte sie nie andere der Unordnung. Schlimmstenfalls rügte sie ihren Vater oder Arvi scherzhaft und gut gelaunt als »ewige Schmutzfinken«, weil sie mit ihren dreckigen Stiefeln Spuren auf dem frisch gewischten Fußboden hinterließen.
Allerdings löste es allgemeine Missbilligung aus, als Betty Anstalten machte, im Stab der Roten Garde in Salo zu arbeiten. Sofort ging das unschöne Gerede los. Für die alten Malmbergs war das Geld der Garde kein Geld, und sie versuchten ihre Tochter dazu zu bringen, ihre Tätigkeit im Hotel aufzugeben, worin auch immer sie bestehen mochte. Betty aber hörte nicht auf sie, sondern sagte, eine Person von 38 Jahren sei alt genug, um zu wissen, was sie tue.
Was natürlich auch stimmte. Aber dann kam auch für sie die Zeit, für das, was sie getan hatte, zu bezahlen. Auch das gab sie gelassen zu. Sie habe aufs falsche Pferd gesetzt, sagte sie. So etwas kommt vor. Jedem das Seine. Aber jetzt galt es, die Beine in die Hände zu nehmen, solange es noch möglich war. Und die
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