Eine eigene Frau
Lohn für den Lehm zahlen sollte, den er von ihren Feldern geholt hat. Verbrechen werden aus zwei Gründen begangen, das ist meine Erfahrung als Polizist. Und dieses hier hat nicht wegen einem Frauenzimmer stattgefunden.«
»Dann muss der Fall erst recht untersucht werden«, sagt Joel und fixiert den Stabskommandanten mit offenem Misstrauen: »Wenn nicht, wird uns die ganze Scheiße angehängt.«
»Du bist doch derjenige, der im Revolutionsgericht sitzt. Dann kümmere dich drum, und jammere mir nichts vor!«
»Es gehört nicht zu meinem Bezirk. Ich bin nur in Vartsala zuständig.«
»Also, äh …«
Sakari fährt sich durch die Haare und räuspert sich. Sein Maß ist allmählich mehr als voll. Er versteht ja, dass die Schicksale des Ziegeleikassiers und des Gutsverwalters von Joensuu kein geringer Anlass sind, um Joel Kopfschmerzen zu bereiten, aber er müsste jetzt doch, sollte man glauben, sein Interesse auf das wichtigere und dringendere Anliegen richten, wegen dem sie auch gekommen sind.
»Wenn wir jetzt vielleicht irgendwo anrufen wegen unserer Jungen«, sagt Sakari, wobei er versucht möglichst resolut zu wirken. »Vielleicht kann man den Zug in Viiala anhalten?«
Aber Luukkonen ist bereits in eine Stimmung abgeglitten, in der er nicht mehr das geringste Verständnis für einen Vater aufbringt, der für seinen Sohn eintritt.
»Zum Donnerwetter, was ist eigentlich in euch alle gefahren? Ich werde bestimmt nicht wegen zweier Burschen einen Zug anhalten. Und schon gar nicht über das Schicksal irgendwelcher weißer Schlächter weinen. Die sollen sterben bis zum letzten Mann! Verflucht, die intrigieren vor unseren Augen gegen die Revolution, was das Zeug hält. Und was macht unser Lebensmittelvorsitzender? Rennt nach Turku und bettelt darum, alle restlichen Schlächter freizulassen, damit sie ihre Söhne bewaffnen und an die Front schicken können, um unsere Söhne umzubringen. Es sieht leider so aus, als würde sich Genosse Tammisto als Laufbursche der Gegenrevolution entpuppen.«
Joel äußert die Vermutung, der Stabskommandant spiele auf die Befreiung des Gutsbesitzers Mikkola an, auf die er tatsächlich eingewirkt habe, und zwar auf die ausdrückliche Bitte von Mikkolas Arbeitern hin. Als Begründung habe Joel angeführt, dass ein so großer Hof nicht ohne fachkundige Arbeitsleitung laufen und Lebensmittel produzieren könne.
»Wenn man eine Kuh tötet, die Milch gibt, ist das immer dumm. Ganz besonders in diesen Zeiten. Außerdem solltest du mein Prinzip kennen, dass man auf anständige Weise …«
»Scheißdreck! Soll ich dir sagen, wo du dir deine weibischen Prinzipien hinstecken kannst?«
Das Telefon schellt. Luukkonen hebt ab und hört mit ernster Miene zu.
»So, so … So, so. Gut, so wird es gemacht. Alles klar. Wiederhören.«
Er legt den Hörer auf die Gabel und berichtet, gerade die Nachricht erhalten zu haben, dass der Verwalter Munck an der Stelle, wo die Gemeinden Marttila und Halikko aneinandergrenzen, tot aufgefunden worden sei, ermordet mit einem Bajonett. Die Leiche werde zunächst in die Leichenhalle der Kirche in Marttila gebracht. Alles deute auf Raubmord hin. Es bestehe der starke Verdacht, dass es dem Kassier der Ziegelei Marttila noch gelungen sei, das Geld für die Waffen ebendem Gutsverwalter von Joensuu zu übergeben. Unschöne Angelegenheit, aber was kann man da machen? Mitgefangen, mitgehangen und so weiter.
Joel schlägt mit der Faust gegen die Wand.
»Verdammte, verfluchte Scheiße!«
»Die Scheiße bringt einen nicht weiter. Aber ein Pferd bringt einen weiter, und dafür braucht man kein Geld. Sechs Waggons Gäule müssen nach Turku gebracht werden. Wenn du das nächste Mal auf Joensuu vorbeischaust, Tammisto, dann überbringst du der Witwe das tiefste Beileid von mir und dem Stab in Salo.«
»Was?«
Joel sieht aus, als könne er vor Zorn nicht mehr atmen.
»Sag ihnen, hier kenne niemand die Männer, die den Verwalter vom Gut geholt haben. In diesen Zeiten kann sich jeder ein rotes Band über den Arm streifen und wer weiß was behaupten.«
Luukkonen lässt sich auf seinen Stuhl fallen.
»Und jetzt auf Wiedersehen, Genossen. Ihr seht ja, dass unsereins alle Hände voll zu tun hat.«
Später kann Sakari seiner Frau nicht erklären, was in jenem Moment in ihn fuhr. Saida wisse ja, dass er noch nie gewalttätig geworden sei. In keiner Form, bestätigt seine Frau. Aber dort in Salo, im Stab der Roten Garde, geschah etwas im Kopf von Sakari Salin, was nie zuvor
Weitere Kostenlose Bücher