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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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die Tatsache, dass man dem Lümmel, der sich dieses Verbrechen habe zuschulden kommen lassen, während des gesamten Jahres nur einmal erlaubt habe, seine Mutter zu treffen, und auch dies nur kurz, am Heiligabend in der kalten Kirche von Uppsala.
    Anders hatte sich in die erste Bank setzen müssen. Die Mutter ging zwischen den Bankreihen und dem Altar hin und her. Schließlich blieb sie unter der verzierten Kanzel stehen und sprach zu ihrem Sohn: Als böses Kind verdiene Anders in diesem Jahr kein einziges Weihnachtsgeschenk.
    Anders lacht. Er sei damals sieben gewesen und müsse zugeben, dass die Lektion ihre Wirkung nicht verfehlt habe. Er habe sich allerdings ein wenig geärgert, weil sein drolliges Katzenjunges während des verfluchten Jahres zu einem widerlichen großen Kater herangewachsen sei.
    Arvi konzentriert sich aufs Packen. Mütter und das, was sie tun oder lassen, sind kein Thema, auf das er näher eingehen möchte, schon gar nicht mit Anders Holm. Dieser nimmt einen weiteren Heureuter in die Hand und sagt, hätte er in Arvis Haut gesteckt und hätte ein Roter versucht, ihm ein Pferd zu klauen, wäre der betreffende Dieb garantiert nicht mit weniger davongekommen als er seinerzeit. Er hätte einen Heureuter in den Arsch bekommen.
    »Gut, aber jetzt legen wir die Stange schön wieder dorthin, wo wir sie herhaben.«
    Arvi holt noch den Heureuter, den Anders auf die Wiese geschleudert hat, und legt auch ihn unters Dach zurück.
    »Vielleicht machen wir uns langsam auf den Weg«, sagt er, und das ist eher ein Befehl als ein Vorschlag.

Saida, 22
    Vartsala, April 1918
    Sakari hat die Hand über die Augen gelegt und späht aufs Meer hinaus. Der Tag hat neblig begonnen, ist jedoch bis zum Mittag strahlend sonnig geworden. Usko wirft blinzelnd einen Blick auf seinen Vater, dann nimmt er sich ein Beispiel und legt ebenfalls die kleine Hand an die Stirn.
    »Soll Mama den Usko auf den Arm nehmen, damit Usko besser sieht?«, fragt Saida.
    »Nein!«
    Seit 15 Jahren hat man keine Singschwäne mehr während des Frühjahrszugs in der Halikko-Bucht rasten sehen. Der Junge ist mitgekommen, um sie anzuschauen, aber am wichtigsten ist es, alles genau so zu machen wie der Vater.
    Tekla lächelt Saida vielsagend zu.
    »Die haben beschlossen, ausgerechnet hier an unserem Ufer ein bisschen zu pausieren«, sagt sie und beugt sich zu dem Jungen hinab. »Ist das nicht schön?«
    »Warum haben sie beschlossen zu ausieren?«, will der Junge wissen.
    »Na, weil sie eine lange, lange Reise über das Meer hinter sich haben und noch weit fliegen müssen, bis nach Lappland«, antwortet Tekla. »Man muss ein bisschen ausieren, damit man wieder Kraft schöpft.«
    »Das sind Swähne«, sagt der Junge und streckt die Hand aus.
    »Genau. Fünf söhne Swähne.«
    Sakari wirft dem Mädchen einen finsteren Blick zu.
    »Der Junge lernt nie sprechen, wenn du so mit ihm redest.«
    »Doch, der lernt das schon, weil ich ihm jeden Tag neue Wörter beibringe«, sagt Tekla. »Wie zum Beispiel Swahn.«
    Sakari runzelt verärgert die Stirn. Noch vor einem Monat gehörte der tägliche Wortwechsel zwischen Vater und Tochter zu seinen alltäglichen Vergnügungen, aber mittlerweile bricht er ihn jedes Mal früh ab. Ebenso widerwillig ist er mit zum Ufer gekommen, um nach den Schwänen zu schauen, als Tekla angerannt kam und sie außer Atem gemeldet hatte.
    »In diesen Zeiten hebt man besser nicht den Schnabel, weil man nicht weiß, auf wen man stößt und wo man dann hingebracht wird.«
    Sakari war vor einer Woche zum Verhör im Hotel Salo, das jetzt als Stabsgebäude des weißen Schutzkorps dient, gewesen, aber dort wurde ihm bescheinigt, er sei »vorläufig auf freien Fuß zu setzen«. Seit der Kapitulation der Roten sind verschiedene weiße Patrouillen von Haus zu Haus gezogen, um nach Waffen und Beweisen für aktive Teilnahme zu suchen, aber in Vartsala sind bislang erst sechs Männer nicht vom Verhör zurückgekommen. Zum hässlichsten Zwischenfall kam es, als Lehtonen, der Schmied des Sägewerks, aufgefordert wurde, das Gewehr zu holen, von dem jemand zu wissen glaubte, er halte es versteckt.
    In Lehtonens Haus wurde die Waffe nicht gefunden, also gingen sie in die Werkstatt. Auch dort war es nicht, aber dann tat der Schmied so, als erinnere er sich, dass es jemand in dem Holzstoß neben dem Ladekai versteckt habe. Bei der Durchsuchung der Werkstatt war es ihm gelungen, heimlich Hufeisen und andere Eisenstücke in die Taschen zu stecken. Als die

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