Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
Vom Netzwerk:
pfeif auf die Grüße der Weiber! Ich lass mich nicht mit Roten zusammen in eine Kammer legen. Das ist alles so merkwürdig …!«
    Kustaa versucht vergebens, beschwichtigend einzugreifen: »Hör auf, Herman, du machst den Mädchen Kummer, wenn du …«
    »Halt’s Maul, Wasserkopf, oder es schwillt dir noch zu! Das sind nicht deine Töchter. Das sind meine Töchter.«
    »Ich kann die hübschen Fräuleins auch wieder wegschicken, aber sie haben dir was mitgebracht, Harjula«, sagt der Polizist.
    Herman erscheint in der Tür.
    »Halleluja! Habt ihr Schnaps dabei?«
    »Nein«, sagt Saida mit roten Wangen. »Es wäre besser, wenn der Vater nicht so laut wäre.«
    »Das sind meine Töchter! Wo hast du meine Flasche hingesteckt?«, fragt Harjula den Polizisten mit vorwurfsvoller Miene. »Das war meine Flasche, nicht deine.«
    »Du brauchst keinen Schnaps mehr, Harjula. Aber essen darfst du.« Er nickt Saida zu zum Zeichen, ihrem Vater den Korb zu geben. Hinter dem schwankenden Herman sieht Saida die blassen, müden Gesichter von Joel und Kustaa.
    »Der Vater muss auch den anderen etwas abgeben«, flüstert Saida.
    Herman reißt ihr den Korb aus der Hand.
    »Den Roten geb ich gar nichts. Ich hab doch gesagt, die langen mit ihren Händen in die Scheiße, mit ihrem Revolutionskram. Hab ich das gesagt, oder nicht, Tammisto? Hä?«
    »Ja, das hast du gesagt.«
    »Und dem Wasserkopf auch. Oder?«
    Kustaa antwortet nicht.
    »Dir, Vuorio, gebe ich keinen Brotkanten, bevor du nicht zugibst, dass ich es gesagt hab. Hörst du? Keinen Kanten, nicht mal eine Kartoffelschale. Dem Tammisto geb ich was, weil er es zugegeben hat. Ich geb ihm eine Kartoffel.«
    Triumphierend hebt Herman vor dem Polizisten eine Kartoffel in die Höhe.
    »Jetzt habt ihr’s gehört. Aus mir macht man keinen Roten.« Der Polizist schließt die Tür und breitet die Arme aus.
    »Redet der Herr Vater immer so daher? Oder nur wenn er besoffen ist?«
    »Nicht immer«, murmelt Saida mit vor Tränen brennenden Augen. Die überraschende Freundlichkeit des Polizisten ist beinahe mehr, als sie ertragen kann.
    »Na, na«, sagt der Polizist. »Wir mussten den Harjula reinholen, weil er draußen den Männern vom Schutzkorps allerhand Unanständigkeiten an den Kopf geworfen hat.«
    »Man wagt es gar nicht zu wiederholen«, bestätigt Mikkola verlegen. »Aber Gotteslästerung war es. Bei uns ist man solche Reden nicht gewohnt.«
    »Vater meint es eigentlich gar nicht so … Aber der Alkohol … Er ist ja selbst Prediger gewesen«, stammelt Saida, wobei ihr Tränen über die Wangen rollen.
    »Tatsächlich?«, fragt Mikkola, sichtlich beeindruckt.
    Die Männer sehen, dass auch Siiri sich über die Augen wischt.
    »Der Schnaps ist eine Erfindung des niederträchtigsten aller Teufel«, stellt Mikkola auf einmal voller Mitgefühl fest.
    »So manch eine Familie hat darunter zu leiden.«
    »Stimmt«, sagt Saida. »Früher war Vater Abstinenzler. Aber als der Krieg kam und das alles …«
    »Eben. Aber ihr Mädchen müsst nicht traurig sein … Warten wir’s … warten wir’s ab … Ohne Dreher und Schlosser läuft die Säge ja nicht …«
    Geradezu väterlich werden Saida und Siiri zur Tür geleitet. Als sie hinter ihnen zufällt, gehen sie Hand in Hand und lautlos weinend die Treppe hinunter, verfolgt vom ernsten Blick des Wachsoldaten.

Arvi, 21
    Somero – Halikko, Mai 1918
    Er blickt mit blutunterlaufenen Augen in die Sonne, die hinter der Fichtenhecke des Friedhofs aufgeht. In seinem Kopf rauscht es vor Müdigkeit, und es kommt ihm so vor, als könne er sich nur von Sekunde zu Sekunde wach halten, indem er unter dem Mützenschirm heraus direkt auf den unnatürlich großen Ball schaut, der vom dunklen Zackenrand der Fichtenhecke unten abgeschnitten wird. Er hat sich das Handgelenk beim Sturz vom Pferd verletzt, es tut weh, und er konzentriert sich auf den Schmerz, um wach zu bleiben. Grüne Punkte springen durchs Sehfeld, als er den Blick von der Sonne abwendet und auf die Landstraße richtet.
    Der Kies knirscht, als sich die roten Gefangenen, angetrieben von den Wächtern, in Zweierreihe aufstellen. Nachdem die Namen aufgerufen worden sind, werden die vor Kälte und Erschöpfung schlotternden Männer paarweise aus der Stacheldrahteinzäunung hinausgeführt. Einige von ihnen sind tagelang hierhermarschiert, von Forssa und Tammela aus. Ein Offizier des Schutzkorps führt die Strichliste.
    Auf Befehl muss Arvi mit Anders darauf achten, dass kein Verurteilter über die

Weitere Kostenlose Bücher