Eine eigene Frau
Tammisto und Kustaa Vuorio aufhalten. Sie werden von einigen Angehörigen des Schutzkorps und einem Polizisten aus Salo bewacht.
»Ich hab mich schon gefragt, wann sie Joel wieder holen«, sagt Sakari und fährt sich durch die Haare. »Aber warum, zum Teufel, jagen sie dem Herman hinterher?«
Siiri weiß es nicht, erzählt aber, die Mutter sei außer sich, weil der Vater nicht zur Essenszeit da gewesen und jetzt diese Nachricht gekommen sei. Sie hat den Proviantkorb dabei, den die Mutter ihr gegeben hat, damit sie ihn dem Vater bringe, wo der doch den ganzen Tag nichts in den Bauch bekommen habe. Siiri scheut sich jedoch, allein zu den Männern des Schutzkorps zu gehen, und hofft, Saida begleite sie, wenn nur irgendwie möglich. Saida jagt die Vorstellung ebenfalls Entsetzen ein, aber es ist klar, dass sie Siiri nicht allein hinschicken kann.
»Nein, ich gehe«, sagt Sakari und fängt an sich die Stiefel anzuziehen.
»Und steckst deinen Kopf direkt der Bestie in den Rachen«, fährt Saida ihn an, schnappt sich einen Stiefel und wirft ihn in die Ecke.
»Bestimmt nicht!«
»Bestimmt werden sie bald weitergeschickt, oder?«, vermutet Siiri.
»Vielleicht«, sagt Saida. »Wir müssen auch für Joel und Kustaa etwas zu essen einpacken.«
Sie schätzt, dass Esteri Vuorio sich nicht traut, zu ihrem gefangenen Bruder Kustaa zu gehen. Von Selma, Joels Frau, wiederum weiß man, dass sie an dem Tag verschwunden ist, an dem die Roten kapituliert haben. Keinen Tag später wurde Joel Tammisto von seinem Amt als Vorsitzender des Lebensmittelkomitees enthoben und fast auf der Stelle verhaftet. Das Paar war gerade mal zwei Wochen verheiratet gewesen.
»Das muss man sich mal vorstellen!«
Während die Geschwister rasch aus den spärlichen Vorräten in der Speisekammer den Korb auffüllen, wundern sie sich gemeinsam über so eine Ehefrau und beklagen Joels Unglück in Frauenangelegenheiten, als brächen sie zu irgendeinem Ausflug auf. Sie nehmen kalte Kartoffeln, ein hartes Stangenbrot, Salzströmlinge und einen Hecht mit, den Sakari mit einer zwischen die Eisschollen geschobenen Reuse gefangen hat und der von Saida gerade erst im Ganzen gekocht worden ist.
Vor dem Genossenschaftsladen gibt es viele Anzeichen dafür, dass dort jetzt die Weißen das Kommando übernommen haben. Am Straßenrand parkt ein schwarzes Auto, und zwischen den Treppengeländern ist ein dickes Seil gespannt worden, das den Eintritt verwehrt. Auf dem Treppenabsatz steht ein junger, aufrechter Soldat in Lodenuniform mit einem Gewehr auf dem Rücken. Seine Stiefel sind gewichst, und er trägt einen Fichtenzweig am Mützenaufschlag.
Die Geschwister nehmen sich fest an der Hand. Saida schildert dem Wachsoldaten ihr Anliegen. Der Jüngling mit dem weißen Band am Arm erwidert nichts, sondern blinzelt nur verlegen. Saida beschließt, nicht klein beizugeben, und äußert erneut die Bitte, ihrem Vater und ihrem Nachbarn etwas zu essen bringen zu dürfen.
Der Wachmann scheint kurz die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen. Er macht ein paar Schritte, öffnet die Tür und meldet mit lauter Stimme, draußen stünden zwei Personen, die etwas wollten.
Kurz darauf schiebt sich ein Mann durch die Tür, den Saida vom Sehen kennt. Es ist der Bauer Mikkola, dessen vergleichsweise großer Hof an das Gut Joensuu grenzt. Als Mikkola hört, was sie wollen, bittet er die Schwestern herein. Der Wächter hebt höflich das Seil an, worauf sie geduckt die Treppe betreten. Drinnen wiederholt Saida ihre Bitte, diesmal gegenüber einem dicken Polizisten mit schwarzem Schnurrbart, der gerade Kaffee trinkt.
Er nimmt den Inhalt des Korbs in Augenschein und stößt ihn dann an eine Ecke des Tisches.
»Die Fräuleins sind also von der Mutter geschickt worden? Der Hecht ist aber verflucht prächtig. Kann man in der Halikko-Bucht schon Reusen auslegen? Na, es wird nicht schaden, wenn Papa Harjula ein bisschen was zwischen die Rippen kriegt«, sagt er mit einem kleinen Grinsen im Mundwinkel. »Vor allem Salzströmling!«
In dem Moment wird den Geschwistern der Grund für das Grinsen klar. Durch die Tür hören sie Hermans durchdringende Stimme im Hinterzimmer tönen, und es besteht kein Zweifel, dass er ordentlich betrunken ist. Der Polizist steht auf und ruft in die Kammer hinein.
»Harjula! Deine Töchter sind da. Wenn du versprichst, dich zu beruhigen, lasse ich sie rein und dir Salzströmlinge bringen. Und schöne Grüße von deiner Frau.«
»Ich verspreche gar nichts. Ich
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