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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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Ehrensvärd mit seinen Abteilungen sowie Schutzkorpsangehörige aus Somero. Sie bewachten eine Schar Gefangene, die neben dem Friedhof hinter Stacheldraht zusammengetrieben worden waren. Am Tag zuvor hatte Ehrensvärd als Vorsitzender des von ihm ins Leben gerufenen Standgerichts die Urteile ausgesprochen. 50 Todesurteile waren verlesen worden. Sie sollten vollstreckt werden, sobald die Verurteilten zum Hinrichtungsort marschiert waren. Als solcher war das ehemalige russische Garnisonsgelände Märynummi vorgesehen, das an die 40 Kilometer von Somero entfernt lag.
    Beim Aufrufen der Verurteilten kommt es zu einer Störung. Der Schutzkorpsoffizier rief wiederholt mit fordender Stimme zwei Namen, aber es scheint keine Gefangenen mit diesen Namen zu geben.
    »Die sind geflohen, verdammt. Aber nicht während unserer Wache«, sagt Anders zu Arvi. »Jetzt bekommen wir was zu tun!«
    Er ist sofort zur Verfolgung bereit.
    » Waffe laden und sichern!«, ruft er auf Deutsch.
    Arvi will wissen, was das bedeutet, und Anders übersetzt es ihm ins Schwedische:
    » Ladda och säkra!«
    Nun will der Schutzkorpsangehörige, der neben ihnen steht, wissen, was der Schwede brüllt.
    Arvi übersetzt es ihm ins Finnische, worauf der Mann Anders einen mürrischen Blick zuwirft. Dieser zieht die Mauser aus dem Futteral und führt eine Ladebewegung durch. Allerdings darf er doch nicht wie erhofft aktiv werden.
    Nachdem der Offizier die Namen mehrmals vergebens wiederholt hat, befiehlt er, fünf beliebige Gefangene aus der Umzäunung zu holen, die auch sogleich herbeigezerrt werden. Er wählt zwei von ihnen aus. Sie müssen die Plätze der Aufgerufenen einnehmen. Dann wählt er noch zwei aus – als Strafe für die Flucht der Verurteilten. Einer von ihnen ist noch ein Junge, und er muss seinen Zwillingsbruder zurücklassen. In den Händen hält er das rot-weiße Hemd, das er gerade über sein langärmeliges Unterhemd ziehen wollte, als die Wächter ihn holen gekommen sind. In einer Art von Abschied wirft er seinem Bruder das Hemd zu und sagt, er wolle es nicht mehr unnötig mit sich tragen.
    Es scheint ein schöner Tag zu werden. Die Sonne ist bereits voll und ganz über die Fichtenhecke hinausgestiegen und gelb geworden, als die Doppelreihe der Gefangenen schließlich in Marsch gesetzt wird, in südwestlicher Richtung, auf Märynummi zu. Auf der Landstraße wird Staub aufgewirbelt, der im Licht der niedrig stehenden Sonne schwebt wie Rauch im Lichtkegel des Projektors im Theater für bewegte Bilder, wo Arvi einmal bei einem Aufenthalt in Turku gewesen ist. Arvi und Anders sollen hinter dem Trupp herreiten. Von dort aus können sie alles im Auge behalten und sofort nachsetzen, falls jemand zu fliehen versucht. Sie reiten nebeneinander, Arvi am rechten Straßenrand, Anders am linken.
    Als sie das Dorf Häntälä erreichen, kommen von den Gefangenen immer mehr Forderungen nach einer Pinkelpause. Die meisten haben auch eine größere Notdurft zu verrichten, aber sie werden aufgefordet, in die Hose zu machen. Schließlich muss der Schutzkorpsoffizier doch eine Pause bewilligen, denn seine Untergebenen beschweren sich immer heftiger über den Gestank, den die Gefangenen verbreiten.
    Jetzt reitet Arvi neben dem Zug der Gefangenen bis zur Mitte, wo die beiden Jungen aus Vartsala marschiert sind. Er steigt vor Viki Salin, der mit herabgelassener Hose am Straßengraben hockt, aus dem Sattel, beugt sich zu ihm hinab und flüstert: »Gleich nach der Brücke von Vaskio rennst du in den Wald. Auf der rechten Seite. Deinem Freund sagst du, er soll nach links rennen. Hast du verstanden?«
    Vikis blaue Augen starren ihn verwundert an, während die Hände Halt an den Weiden am Straßenrand suchen. Dann nickt der Junge verstohlen mit seinem blonden Kopf.
    Nachdem er wieder auf seinem Platz ist, sagt Arvi zu Anders, er habe ein paar Gefangene überprüft, die in besserer Verfassung als die anderen seien und eventuell etwas vorhätten. Er habe sich ihr Schuhwerk angesehen. Mit den Stiefeln könne man rennen, im Gegensatz zu den auseinanderfallenden Tretern der anderen. Anders meint, die verdammten Mongolen sollten es nur versuchen. Er habe ein Pferd unter sich und außerdem scharfe Munition geladen.
    Als sich der Gefangenentransport wieder in Bewegung setzt, reitet Anders im Schritt zwischen der Doppelreihe der Gefangenen und dem Straßengraben. Er erwidert die unfreundlichen Blicke der Schutzkorpsangehörigen, indem er sie ausdruckslos fixiert, bis die Finnen

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