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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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Und die ganzen Stahlseile, die ja auch was gekostet haben. Und der Verbrennungsmotor, verdammt noch mal! Für den musste Papa Wright das Haushaltsgeld für viele Monate vergeuden.
    Und was ist aus dem Zeitvertreib der Flachköpfe gefolgt? Junge Männer steigen mit Maschinen zum Himmel auf, deren Gas man nicht regulieren kann. Legen mit vollen Umdrehungen los, ohne daran zu denken, dass man irgendwann auch wieder auf den Erdboden zurückkehren muss. Das Schlimmste ist jedoch, dass sich aus all dem die erbärmlichste Tötungswaffe der Geschichte entwickelt hat. Großen Kummer brachte auch die Frage mit sich, wie man mit dem Maschinengewehr zwischen den Rotorblättern hindurchschießt, ohne dass der Propeller in tausend Teile zersplittert. Natürlich sind sie bald auf die Idee gekommen: ein Taktgeber – jetzt konnten sie von oben auf wehrlose Menschen schießen. Und irgendwo in Brighton oder Liverpool musste eine alte Mutter mit vom Rheuma kaputten Fingern die Todesnachricht öffnen. Diese verdammten Brüder! Warum haben sie nicht zum Beispiel das Automobil erfunden? Damit kann man wenigstens Menschen und notwendige Waren dorthin transportieren, wo sie hingehören. Mit Flugzeugen bringt man Menschen nur ums Leben. Jetzt wird schon von Maschinen geredet, die tonnenweise Bomben an Bord nehmen und über Unschuldigen abwerfen. Hört ihr nichts, ihr Holzohren? Hört ihr das Knattern und Knallen vom Flugplatz der neuen finnischen Luftwaffe an der Auramündung? Dieses Knattern verheißt nichts Gutes. Verkündet eure Urteile, tötet, aber es wird euch allen noch einmal leidtun.
    Ja, ihr lasst mich nicht zu Wort kommen, weil ihr die Wahrheit nicht ertragt. Denn die Wahrheit lautet, dass ich nur vor euch stehe, weil die Gebrüder Wright endlich einen Doppeldecker-Flugapparat mit zwei Propellern fertig bekamen, den sie Flyer nannten. Am 17. Dezember 1903 legte sich Orville Wright in die Mitte der unteren Tragfläche, während auf der Sanddüne von Kitty Hawk ein Wind von 43 Kilometern in der Stunde blies. Das Bürschchen hatte den Münzwurf zwischen den Brüdern gewonnen. Sobald der Benzinmotor mit den zwölf Pferdestärken genügend Leistung hergab, löste der Kerl das Halteseil und glitt auf der Startschiene los. Bruder Wilbur, der verloren hatte, rannte nebenher und gab sein Bestes, um die Maschine möglichst lange auf der Schiene zu halten. Sobald er losließ, erhob sich der Apparat auf seinen Flügeln aus Eschenholz und Musselin und flog zwölf epochemachende Sekunden lang durch die Luft und historische 37 Meter weit.
    Als ich das las, fingen meine Gedanken an zu schwirren und zu wirbeln wie der Sand von Kitty Hawk unter den Blättern der mit Fahrradketten angetriebenen Propeller.
    Wenn der Mensch fähig ist, die Gesetze der Schwerkraft zu überwinden, dann ist er, verdammt noch mal, zu allem fähig. Und wenn dazu Brüder im Stande sind, die im amerikanischen Dayton die Schule links liegen lassen, warum soll dann ein Joel Tammisto aus Halikko in Finnland nicht auch dazu im Stande sein?
    Joel lässt die vergeblich erhobene Hand sinken.
    Gut. Man erteilt ihm nicht das Wort. Egal. Dann kann er ja auch die Ohren vor den Stimmen der Herren verschließen und sich den ganzen Wahnsinn wegdenken. Er muss nur 15 Jahre in der Zeit zurückgehen und die Zeitung, die von dem Flug berichtet, aus den vor Begeisterung zitternden Händen legen.
    Der Flyer fliegt rückwärts, die Startschiene saugt ihn an und zieht ihn den Hang hinauf, Wilbur packt ihn und geleitet ihn zum Startpodest. Orville richtet sich aus der liegenden Position auf und stellt sich neben den Flyer. Sein Bruder tritt zu ihm, und im Laufschritt entfernen sie sich rückwärts von ihrer Erfindung, die alles Übel ausgelöst hat.

Vartsala, 12. Mai 2009
    Vor zwei Tagen las ich in der Lokalzeitung einen Artikel anlässlich des 50. Geburtstages von Marja Rusanen, die der Geschäftsführung von Nokia in Salo angehört. Zu den Hobbys, denen sie seit vielen Jahren nachging, zählte neben der Stammbaumforschung ihrer eigenen Familie das Sammeln von Material zur lokalen Geschichte. Aus dem Text ging hervor, dass diese Marja Rusanen neulich erst von Salo nach Vartsala gezogen war.
    Auf dem Foto lächelte eine für ihr Alter blendend aussehende Frau, und wahrscheinlich kam ich deswegen noch am selben Abend, leicht benebelt vom Wein, auf eine, wie ich fand, Idee von Führungskräfteniveau: Ich ließ mir von der Auskunft die Telefonnummer der Frau geben und mich auch noch gleich

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