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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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verbinden. Sie meldete sich, und ich trug mein Anliegen vor, in der Hoffnung, dass sie mir meine Betrunkenheit nicht anhörte. Ich erzählte ein bisschen von meinen eigenen lokalhistorischen Nachforschungen und erkundigte mich, ob es vielleicht möglich wäre, von ihr ein paar zusätzliche Erkenntnisse über Personen und Ereignisse, die mich interessierten, zu bekommen.
    Marja Rusanen wirkte interessiert, schien aber gerade wenig Zeit zu haben. Ob es mir vielleicht recht wäre, einmal abends bei ihr vorbeizukommen? Dann würde sich zeigen, ob sie mir helfen könne. Oder vielleicht auch umgekehrt?
    In dem Moment fand ich die Vorstellung großartig, aber als der vereinbarte Zeitpunkt näher rückte, gestern Abend um halb sechs, bereute ich die Kontaktaufnahme bereits schwer. Als Maurer war ich es gewöhnt, zu den Leuten nach Hause zu kommen und mich ihnen gegenüber einigermaßen ungezwungen zu verhalten, aber in meiner Freizeit vermied ich schon lange jegliche soziale Visiten. Die schwarzen Löcher in der Vergangenheit des Ortes zogen mich an, doch eine solche Begegnung enthielt immer das Risiko, dass es zu einem Bekanntschaftsverhältnis ausgedehnt wird, das am Ende dann doch keiner aufrechterhält. Spätestens bei meiner Tätigkeit als Marketingleiter ist mir klar geworden, dass ich schlicht und einfach keine neuen Menschen mehr kennenlernen will, auch wenn sie noch so tüchtig und sympathisch wirken.
    Besonders Frauen gehe ich aus dem Weg, vor allem wenn ich nüchtern bin. Im betrunkenen Zustand erwacht in mir bisweilen eine diffuse Sehnsucht, aber in der Regel hüte ich mich auch dann davor, die Inititative zu ergreifen. Jetzt befürchtete ich außerdem, Marja Rusanen könnte mich nach meinen Familienverhältnissen und den Gründen für meinen Umzug fragen.
    Was sollte ich ihr dann antworten?
    Ich konnte allerdings auch nicht mehr zurück und war selber schuld daran. Also tauschte ich meinen mit Mörtelflecken übersäten Overall gegen die Jeans, die ich vorgestern gewaschen hatte, und zog ein graues, leicht verschlissenes, aber ebenfalls frisches T-Shirt an. Es hätte sogar eine noch neuere Variante gegeben, nämlich das grüne Shirt, das mir meine Tochter Jane letzten Herbst aus Dublin mitgebracht hatte.
    Aber das kam nicht in Frage, denn es war mit einem Bild von vier Männern bedruckt, die allesamt betrunken eingeschlafen waren, jeder in einer anderen komplizierten Haltung. Darunter stand: Irish Yoga . Ich hatte das T-Shirt beim Umzug eingepackt, weil es mir gute Laune machte und gut den sympathisch bodenständigen Humor meiner Tochter widerspiegelte. Das galt auch für die aufklappbare Karte, die dem Mitbringsel damals beilag. Vorne war sie mit einem katholischen Heiligenbild verziert, begleitet von dem Text Jesus loves you . Ich weiß noch, wie ich die Karte gerührt aufklappte und dann den Innentext las: But everybody else thinks that you are an asshole .
    Das Lesen dieses gnadenlosen Textes löste in mir ein riesiges Zärtlichkeitsgefühl für meine Älteste aus. Ich konnte mir vorstellen, wie sie beim Kauf der Karte gekichert und darauf vertraut hatte, dass ich ebenfalls lachen würde, wenn ich sie bekäme.
    Beim Abwägen der Kleidungsalternativen begriff ich noch etwas: Ich musste mir irgendwann ein paar neue Sachen kaufen. Bei meinem derzeitigen Einkommensniveau musste ich mich allerdings mit Flohmärkten oder bestenfalls mit H & M zufriedengeben. Mehr brauchte es auch nicht zu sein, doch sollte ich wenigstens so viel verdienen, dass ich mir für die Taufe meines Enkelkinds einen anständigen Anzug besorgen konnte.
    Als ich beim Einzug die Birkenholzkommode in der Kammer für meine Hemden und Unterhosen leerräumte, fand ich einen Almanach aus den dreißiger Jahren. Er enthielt tägliche Wetterbeobachtungen und Einträge über Fütterung, Pflegemaßnahmen und Gesundheitszustands eines Pferdes namens Lahja. Außerdem war ein Ereignis notiert, das sich regelmäßig wiederholte: Saida kam zum Backen. Gerührt stellte ich mir vor, wie die junge Saida für Arvi backte, und ich erinnerte mich, wie mir Mamu einmal amüsiert erzählte, was ich als Vierjähriger gesagt hatte, als ich ihr zum ersten Mal beim Backen helfen durfte. Man hatte mir als Schürze ein Geschirrtuch umgebunden, und ich hatte ungläubig auf den Hefeteig gestarrt: »Und jetzt soll ich meine Hand in diesen Mischmasch stecken?«
    Das ziemlich neu wirkende blaue Holzhaus stand knapp einen Kilometer von meinem Haus entfernt, in Strandnähe. Der

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