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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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Vartsala oder anderswo auf dem Gemeindegebiet von Halikko in den Wochen der roten Herrschaft geschah, und wie es in der Region dann zur sogenannten Befreiung von der roten Regierung gekommen war.
    Die Wahrheit scheint zu sein, dass rund um Halikko und Salo so gut wie keine roten Greueltaten verübt wurden. Die einzigen beiden Gewaltverbrechen, die man zur Zeit der Roten in der Gemeinde Halikko und ihren angrenzenden Gebieten verzeichnete, waren die Morde an Gutsverwalter Munck und Ziegeleikassier Penkere. Und dabei kann mit guten Grund davon ausgegangen werden, dass es sich um Raubmorde handelte, die von beiden Parteien begangen worden sein konnten – oder für deren Täter die politische Zugehörigkeit gleichgültig war. Das Motiv scheint in beiden Fällen Habgier gewesen zu sein.
    Nach der Flucht der Roten war ein militärisches Vakuum entstanden, das von den weißen Schutzkorps, die bis dahin passiv gewesen waren und sich im Verborgenen gehalten hatten, sofort gefüllt wurde. Und auch auf Seiten der Weißen war es nicht in großem Umfang zu Terror gekommen – mit einer besonders schlimmen Ausnahme jedoch: die Massenhinrichtung von Märynummi, bei der sich die Angehörigen des weißen Schutzkorps allerdings im Nachhinein für unschuldig erklärten.
    Man fragt sich, warum im eigentlich friedlichen, von Kämpfen und krasser roter Willkür verschont gebliebenen Südwestfinnland so eine fanatische Rachetat verübt wurde. Wer wollte da Rache üben und wofür? Offenbar nicht der in den Quellen auftauchende Bauer Mikkola, der von den Roten, wie er selbst bezeugt, korrekt behandelt worden war. Die Rächer kamen anderswo her. Es kann sein, dass sie auf dem zugefrorenen Meer aus Schweden gekommen waren, über die Åland-Inseln, wo das sogenannte Schärenfreikorps zusammengestellt worden war. Dies setzte sich nämlich nicht zuletzt aus furchtlosen, patriotisch gesinnten jungen Männern zusammen, die im März 1918 das rote Finnland über das Eis in Richtung Åland verlassen hatten.
    Es wurde angeführt von einem schwedischen Grafen, einem gewissen Leutnant Ehrensvärd. Der junge Leutnant war vermutlich nach Finnland gekommen, weil er drei Jahre lang untätig dem Weltkrieg von zu Hause aus zugesehen hatte und auf militärische Erfahrung aus war. Beides konnte man im März und April 1918 in Südwestfinnland jedoch nicht bekommen. Die Kämpfe und Heldentaten fanden anderswo statt.
    Die einsatzfreudigen Freiwilligen trafen auf frustrierend wenig Widerstand. Nicht einmal um die Eroberung Turkus musste gekämpft werden. Als die Freikorpstruppen auf Turku zumarschierten, hatten die Roten die Stadt bereits verlassen, und schon in Parainen und Kaarina jubelten die Menschen den einziehenden Soldaten zu. Feinde waren keine zu sehen. Fast alle, die am Straßenrand Hurra riefen, waren Frauen und Kinder, aber die jungen Soldaten und ihr junger, ehrgeiziger Kommandant dürsteten nach Taten, nach dem Ruhm, den sie einbrachten, auch nach Spannung. Die holten sie sich, indem sie die ehemaligen Aufmarschgebiete der geflohenen Roten südlich der Linie Turku-Forssa säuberten.
    Womöglich hatten die schwedischen Freiwilligen, die dem roten Finnland in den Rücken fallen wollten, tatsächlich das Gefühl, Feindesland zu betreten. Sie verstanden nämlich nicht, was die Leute redeten. Über die Sozialstruktur des Landes wussten sie immerhin, dass die Oberschicht Schwedisch sprach und das Volk Finnisch. Darum waren ihnen alle Finnischsprachigen verdächtig. Manch weißer Bauer hat entrüstet Situationen kommentiert, in denen man ihn wie einen Roten behandelte, bloß weil er Finnisch sprach.
    An der schockierenden Massenhinrichtung in Märynummi hatten außer schwedischen Angehörigen des Freikorps vor allem Männer aus dem Schutzkorps Somero teilgenommen. An der Planung waren außerdem die Schutzkorps von Kuusjoki und Halikko beteiligt gewesen. Auch sie hatten im Abseits gestanden, weit weg von den Aktivitäten, mit denen sich die weiße Armee ausgezeichnet hatte. Befreiungskrieg und Heldentum fanden anderswo statt. Nur die Frustration, die aus diesem Umstand resultierte, konnte die unfassbare Rachemaßnahme von Märynummi wenigstens zum Teil erklären.
    Die siegreichen Weißen kamen in die ehemals von Roten kontrollierten Ortschaften, um sie von den räuberischen Sozialisten zu befreien. Die Gegend um Turku und Salo musste jedoch nicht befreit werden, und in Halikko und Umgebung scheint es erst recht keine roten Raubzüge gegeben zu haben.

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