Eine eigene Frau
Jahres. Das Schutzkorps der Weißen war in zehn Bezirke eingeteilt, und der achte befand sich in Vartsala. Auf einem Blatt war der Dorfname umkringelt und an den Rand ein Ausrufezeichen gemalt worden. Der Vorstand bestand aus zwei Landwirten und einem langjährigen Schöffen. Stellvertreter waren Graf Armfelt und zwei seiner Gutsverwalter.
Es hieß, sämtliche Papiere des Schutzkorps seien »während der roten Schreckensherrschaft« vernichtet worden, weshalb diese 1938 aktualisierten Erinnerungen der einzige existierende Bericht »von den Ereignissen des Befreiungskrieges« in der Gemeinde Halikko darstellen dürfte.
Das größte Problem des Schutzkorps scheint der Mangel an Waffen gewesen zu sein. Schon bei der Gründungsversammlung wurde die Beschaffung von Geld zum Waffenkauf eingeleitet. Immer wieder wird auf das Thema zurückgegriffen und über die erzwungene Untätigkeit aufgrund des Waffenmangels lamentiert. Infolgedessen war das Schutzkorps während des gesamten Herbstes 1917 und auch noch Anfang Februar 1918, nach der Konstituierung der roten Administration auch in dieser Gegend gezwungen, sich bedeckt zu halten.
Nachdem sich die Fronten gebildet hatten, sollen sich an die zehn Mann auf den Weg nach Norden gemacht haben, um sich der weißen Armee anzuschließen. Die meisten Angehörigen des Schutzkorps, auch der Verfasser der Erinnerungen, blieben jedoch in der Heimat, um über den Geldmangel und die von ihm verursachte Waffenlosigkeit zu jammern.
Beim Lesen der Seiten fragte ich mich, wo das Schutzkorps inmitten des roten Südfinnland überhaupt Waffen herbekommen hätte, selbst mit Geld. Ich weiß nicht, was Arvi davon gewusst oder darüber gedacht hatte, aber er hatte jede Stelle rot unterstrichen, wo von Geldbeschaffung die Rede war. Am Rand eines Blattes stand: »Beachte: Schon wieder Geld!«
Ein Kleinbauer ist der Memoirenschreiber nicht gewesen. An einer Stelle beklagt er die schwache Grünfutterlage und erwähnt dabei, er habe 110 Rinder und 21 Pferde zu füttern. Unablässig verurteilt er die schreckliche rote Verwaltung, aber seine Darstellung lässt keine rechte Vorstellung von einer Schreckensherrschaft entstehen. Allerdings wird Mikkola für eine Woche der Freiheit beraubt, als man ihn zu Recht – sofern man seinen eigenen Schilderungen Glauben schenkt – verdächtigt, bewaffneten weißen Freiwilligen geholfen zu haben, an den örtliche Roten vorbei zur Frontlinie zu gelangen. Dem Text zufolge wurde er während der Haft jedoch korrekt behandelt.
Man klagt Mikkola des Verrats an der Revolution an und versucht Informationen über die Waffenverstecke des Schutzkorps Halikko aus ihm herauszubekommen. Es gibt keine Waffen, sagt Mikkola immer wieder im Verhör, und am Ende scheint man ihm zu glauben. Harte Methoden werden nicht angewendet. Eher entsteht der Eindruck totaler Amateurhaftigkeit auf Seiten der Roten, und zwar in administrativer, juristischer und auch militärischer Hinsicht. Mikkola wird auf Antrag seiner eigenen Arbeitskräfte auf freien Fuß gesetzt.
Später verhängt das aus drei Schustern und einem Sägewerkarbeiter bestehende »Revolutionsgericht Halikko« ein Bußgeld in Höhe von zweitausend Mark über den Memoirenschreiber, »weil er die Arbeiterregierung nicht anerkennt«. Das Bußgeld lässt er eiskalt unbezahlt und weigert sich offenbar auch weiterhin, die Arbeiterverwaltung anzuerkennen. Diese wiederum lässt wegen der Aufmüpfigkeit keine Konsequenzen folgen.
Nicht sonderlich tyrannisch, finde ich.
Aber dann folgt eine wirre Ereigniskette, die laut Mikkola einen empörenden Beweis für den roten Terror darstellte. Den ganzen Winter über hatte der Memoirenschreiber von Morden durch die Rotgardisten im ganzen Land gehört, einer schlimmer als der andere, und jetzt hatte man auch in seiner Heimatgemeinde zwei Angehörige des Schutzkorps umgebracht. Unweit des Bahnhofs Halikko war ein Mord begangen worden, dem ein Mann namens Emil Penkere zum Opfer gefallen war, seines Zeichens Kassier der Ziegelfabrik Marttila. Der nächste Mord geschah dann in Marttila. Das Opfer, Oscar Munck, war einer der Gutsverwalter des Herrenhauses Joensuu, den man bei der Gründungsversammlung des Schutzkorps zum stellvertretenden Vorstandsmitglied und Kassenwart gewählt hatte.
Die geschilderten Ereignisse mussten Arvi in große Aufregung versetzt haben, denn er hatte so heftig unterstrichen und Ausrufezeichen an den Rand gemalt, dass der Stift an einigen Stellen das Papier durchstoßen
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