Eine eigene Frau
und Großvater? Oder hatte Arvi doch noch andere Freunde?
Eine Bücherserie ist sichtlich häufiger durchgeblättert worden als das Kochbuch, sie trägt den Namen Chroniken des finnischen Volkes . Insgesamt gibt es acht Bände, gedruckt bis in die dreißiger Jahre hinein. Aus dem fünften Band fiel das getrocknete Blatt einer Pflanze heraus. Beim sorgfältigen Blättern fanden sich noch mehr davon. Ich vermutete, dass sie nicht zufällig eingelegt waren, sondern als Lesezeichen.
Eines befand sich an der Stelle, wo Gustav Mauritz Armfelt, der Hofoffizier von Gustav III., als stolzer Oberst sein Regiment in die Schlacht am Fluss Partakoski bei Savitaipale führt. Armfelt wird als kämpfender Kommandant beschrieben, der stets mit dem Schwert in der Hand kühn seinen Truppen voranreitet. Der vorbildliche Mut des Obersten spornt die ihm folgenden finnischen Soldaten an, mit fatalistischer Gelassenheit zu attackieren, während ihnen die Kugeln um die Ohren pfeifen und die blitzenden Bajonette des Feindes sie erwarten.
Weitere Blätter fanden sich bei Armfelts Frauengeschichten. Es erweckte den Eindruck, als wäre der stattliche Oberst mit sperrangelweit offenem Hosenstall durch ganz Europa gezogen, von Hof zu Hof, bis nach Neapel.
»Arvi, du alter Lüstling«, murmelte ich leicht peinlich berührt, weil ich in die Privatsphäre eines anderen Mannes vorgedrungen war. Arvis Interesse für Gustav Mauritz Armfelt kam natürlich daher, dass sich das Herrenhaus Joensuu bis in die zwanziger Jahre hinein im Besitz der Armfelts befand.
Ein noch interessantes Fenster in die Seelenlandschaft meines Vorgängers öffnete mir ein 36 Seiten umfassender Papierstoß, den ich hinter den Chroniken im Bücherregal entdeckte. Der Text war mit Maschine geschrieben, und jemand hatte eifrig Unterstreichungen vorgenommen und Kommentare hinzugefügt. Zwischen den Zeilen und an den Seitenrändern standen Anmerkungen, Äußerungen der Empörung und Ausrufezeichen, zum Teil in feuerroter Tinte und eindeutig unter großer Aufregung geschrieben.
Auf dem ersten Blatt stand lediglich eine Überschrift:
BEI DER GRÜNDUNG DES SCHUTZKORPS HALIKKO DABEIGEWESEN
Und was 1918 daraus folgte
Auf der nächsten Seite kam eine Art Vorwort:
Die Früchte jenes Klassenhasses, der nahezu seit einem Menschenalter frei unter uns hat keimen dürfen, gelangten im Herbst 1917 in einem Maße zur Reife, dass ein Teil derjenigen, die zur Arbeiterschaft unseres Volkes zählten, bereit waren, zusammen mit den hier einquartierten, undiszipliniert gewordenen russischen Soldaten Sabotageakte zu verrichten. So weit war es der Lehre von Marx bereits gelungen, unser Volk mit den schlechtesten Elementen zu verpesten, dass der Finne gemeinsam mit dem Russen seine eigenen Landsleute berauben und ermorden konnte, und dies auch noch in der großen historischen Stunde, da alle vereint die bewaffneten Kräfte des Erzfeindes aus dem Lande hätten verjagen müssen.
Solche Sabotageakte waren in Halikko noch im selben Herbst und Winter zu erleben. An den ersten Novembertagen nämlich unternahm ein Trupp in Turku einquartierter russischer Soldaten, angestiftet von finnischen Roten und zusammen mit ihnen, einen Raubzug nach Halikko, zum Herrenhaus Joensuu, wobei die gesamte Bevölkerung der Gemeinde in Angst und Schrecken versetzt wurde. Während des Winters wurden in der Region Halikko Morde begangen, an denen sich auch die Rotgardisten von Halikko tüchtig beteiligten. Darüber werde ich später berichten.
Der von den Vätern ererbte Nationalgeist und der Glaube an den Sieg des Rechts war in unserem Volk, dem Herrn sei Dank, jedoch noch so stark lebendig, dass Maßnahmen ergriffen wurden, um den Geist, die Unantastbarkeit der Häuser und die öffentliche Ordnung zu bewahren.
Ich habe zu einem früheren Zeitpunkt bereits kurze Erinnerungen über jene Ereignisse geschrieben, die vor etwa vier Jahren in der Zeitschrift Der finnische Befreiungskrieg erschienen sind. Danach ist es mir gelungen, von Personen, die an den Ereignissen beteiligt waren, weitere zuverlässige Informationen zu erhalten, und auf mehrfachen Wunsch habe ich daraufhin diese Erinnerungen neu geschrieben, hauptsächlich für den Verband der Frontkämpfer des Befreiungskrieges und dessen Kommission zur Sammlung von Memoiren.
Der Papierstoß erwies sich als die Erinnerungen des Landwirts Olvai Mikkola an die Gründung des Schutzkorps in Halikko im August 1917 und an die Ereignisse in der Gemeinde während des folgenden
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