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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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wußte, warum. In dieser Woche fanden keine Tutorien statt, und Svenson hatte auch keine
    Fakultätssitzung einberufen. Trotzdem wurde er das unangenehme Gefühl nicht los, daß er noch etwas erledigen wollte. Hatte er Helen versprochen, sie heute irgendwohin zu fahren? Nein, das war es nicht. Helen, die sowohl Bibliothekarin als auch eine erfolgreiche Schriftstellerin war, hatte sich vorgenommen, an ihrem neuesten Artikel für das Wilson's Library Bulletin zu arbeiten, während Peter sich zuerst von den Strapazen der Eulenzählung erholen sollte, um danach den Rest des Tages mit Korrekturen zu verbringen.
    Der Eingangsbereich der Forschungsstation hatte auf beiden Seiten große Panoramafenster, daher konnte Peter genau sehen, wie Winifred Binks aus ihrem Blockhaus trat. Diesmal trug sie eine sorgfältig gebügelte Flanellhose und einen himmelblauen Pullover und sah einer Professorin bedeutend ähnlicher als einer Pionierin. Als sie die Station betrat, fragte sie: »Hätten Sie Lust, eine Tasse Kaffee mit mir zu trinken, Peter?«
    Kaffee war in diesem Fall eine etwas irreführende Bezeichnung, denn Winifred stellte ihr Gebräu aus getrockneten Zichorien und Löwenzahnwurzeln her, die sie mit einem Stein und auf einem harten Untergrund gemahlen hatte. Eigentlich konnte er das Angebot ruhig annehmen, dachte Peter, vielleicht würde das gesunde Gebräu seinem Gedächtnis ja wieder auf die Sprünge helfen. Er trank aus einem etwas windschiefen handgetöpferten Becher und lauschte Violas traurigen Erinnerungen darüber, was für ein toller Tänzer Emory doch gewesen sei, als ein rotes 1976er Dodge Sportcoupe, dessen Seiten weiße Streifen zierten und dessen Tür die beeindruckende Aufschrift ALL-WOECH ENTLICHER GEMEINDE- UND SPRENGEL-ANZEYGER FÜR BALA-CLAVA trug, auf den Parkplatz schoß.
    »Ah«, sagte Winifred. »Unser Freund Mr. Swope in seinem neuen Dienstwagen. Ich habe mich schon gefragt, warum er sich noch nicht gemeldet hat.«
    »Grundgütiger, jetzt fällt es mir wieder ein! Ich wollte Cronkite benachrichtigen!« rief Peter. »Swope weiß noch gar nicht, was uns gestern nacht zugestoßen ist, weil er über die Eulenzählung hinter Walhalla berichten sollte.«
    Cronkite Swope, Starreporter beim Allwoechentlichen Gemeinde- und Sprengel-Anzeyger für Balaclava, war seine Nachtruhe noch nie wichtiger gewesen als eine gute Story. Was für ein schreckliches Pech, daß er sich entschlossen hatte, eine Gruppe Studenten zu begleiten, zu der auch zwei von Dr. Svensons hübschen Töchtern gehörten, statt beim Team des Präsidenten zu bleiben und Augenzeuge von Emmericks groteskem Ende zu werden. Höchstwahrscheinlich platzte er vor Wut.
    Fehlanzeige, Cronkite war munter und fidel wie ein Fisch im Wasser. »Mann! Das war vielleicht eine Nacht! Ich habe ein tolles Portrait von Gudrun Svenson geschossen, im Profil, als sie gerade zu einer großen Ohreule hochschaute, direkt vor dem Vollmond, mit ein paar kleinen Wolkenfetzen im Hintergrund. Der Chef will es auf die Titelseite setzen.«
    »Hmja, vielleicht sollten Sie Ihren Chef kurz anrufen und ihn bitten, die Druckerpressen anzuhalten.« Peter kam sich niederträchtig vor, daß er Swope nicht früher benachrichtigt hatte, nach allem, was sie in der Vergangenheit schon zusammen
    durchgemacht hatten. »Ich vermute, Sie haben noch nicht gehört, was Emory Emmerick gestern nacht zugestoßen ist?«
    »Emmerick? Sie meinen Ihren Ingenieur?«
    »Dafür haben wir ihn gehalten, aber anscheinend war er es gar nicht.«
    »Höh? Wie meinen Sie das?«  
    »Laut Mr. Gyles von der Meadowsweet Construction Company war Emmerick weder dort angestellt noch hatte irgend jemand jemals von ihm gehört. Ich wähle deshalb die Vergangenheitsform, weil er gestern nacht jemandem ins Netz gegangen ist.«
    »Ins Netz gegangen?«
    »Sehr richtig. Haben Sie was zum Schreiben dabei?«
    Die Frage erübrigte sich, denn Cronkite Swope hatte seinerzeit den Großen Fernkurs für Journalisten nicht umsonst summa cum laude abgeschlossen. »Schießen Sie los, Professor!«
    Peter schoß los. Er hatte Emmerick kaum aus dem Baum fallen lassen, als Swope sich bereits ans Telefon gehängt hatte, um bei seiner Zeitung anzurufen und lautstark nach einem Redakteur zu verlangen.
    »Hier, Professor.« Er drückte Peter den Hörer in die Hand. »Erzählen Sie es ihnen. Ich muß schleunigst zur Staatspolizei sausen und versuchen, ob ich denen ein Foto abluchsen kann. Verdammter Mist, warum bin ich bloß mit Gudrun gegangen

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