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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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der Name Viola an eine gertenschlanke, verträumte Person denken ließ, hätten Mrs. Buddleys Eltern wahrscheinlich besser daran getan, ihrer Tochter einen anderen Blumennamen zu geben, beispielsweise Heliantha, dachte Peter. Die dralle junge Dame hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem roten, runden, fröhlichen Mr. Sun aus den Geschichten von Thornton Burgess, die seine Volksschullehrerin ihnen immer vorgelesen hatte, wenn sie artig gewesen waren, was in seiner Kindheit noch recht häufig vorkam.
    Da ihr Aufgabengebiet in der Hauptsache aus Sekretariatsarbeiten bestand, konnte Peter nicht genau nachvollziehen, warum sie ausgerechnet in Wanderstiefeln und Khaki-Shorts zum Dienst erschien. Und das hautenge grüne T-Shirt mit der Aufschrift »Heute schon einen Baum umarmt?« unmittelbar über ihrem üppigen Busen brachte Violas Engagement für Umweltschutz ein klein wenig zu gewagt zum Ausdruck, doch wenn es Miss Binks nicht störte, daß Viola es im Büro trug, sollte es ihm eigentlich auch egal sein. Die junge Dame besaß außerdem eine Unmenge Sommersprossen, rötlichblondes, widerspenstiges Kraushaar und ein strahlendes Lächeln, das ihr im Moment jedoch gänzlich vergangen war, nachdem sie die Neuigkeit über Emory Emmerick erfahren hatte.
    »Die Staatspolizei überprüft gerade, ob er vorbestraft war«, erklärte Peter. »Wenn er nicht identifiziert werden kann, wird man wohl Fotos von ihm an die Presse und ans Fernsehen geben. Es reicht bestimmt nicht, sich einfach nur umzuhören. Wir wissen
    nicht einmal, woher er kam, und vielleicht war Emmerick gar nicht sein richtiger Name.«
    »Mir hat Emory erzählt, er sei aus New Jersey«, sagte Viola.
    »Wann hat er das gesagt?«
    »Donnerstag abend. Er hat mich ausgeführt, wir waren im >Bursting Bubble<. Kennen Sie es?«
    »Hmja, könnte man sagen.« Anfang des Jahres hatte Peter mitansehen müssen, wie der einzige und noch dazu recht armselige Nachtclub von Lumpkin Upper Mills zusammen mit den Gebäuden der alten Lumpkiner Seifenfabrik bis auf die Grundmauern abgebrannt war. »Ich habe gehört, das >Bubble< hat drüben im ehe-maligen Kegelcenter in der Clavaton Road wieder aufgemacht?«
    »Stimmt, und jetzt ist es wirklich spitzenmäßig. Es gibt eine kleine Drei-Mann-Band, und zwei Kegelbahnen sind zu Tanzflächen umgebaut worden. Es ist einfach toll dort, solange es einem nichts ausmacht, schnurgerade hin und her zu tanzen. Emory und ich haben uns hervorragend amüsiert. Ich hatte schon gehofft, es wäre der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, aber nachdem Sie mir das jetzt alles erzählt haben, weiß ich wirklich nicht, ob ich traurig oder erleichtert sein soll.«
    »Sie wären viel zu schade für ihn gewesen!«
    Dieser leidenschaftliche Ausbruch aufgestauter Gefühle stammte von Knapweed Calthrop, Forschungsstipendiat der Station und derzeit Lehrbeauftragter am College. Knapweed schrieb gerade seine Doktorarbeit über das Echte Labkraut und die Krappgewächse, die er persönlich stets Rubiaceae nannte. Wie seine Lieblingspflanzen konnte auch er kratzig und stachelig sein, allerdings niemals gegenüber Viola.
    Die beiden mußten ungefähr im gleichen Alter sein, vermutete Peter, obwohl man das bei Frauen nie so genau sagen konnte. Emmerick dagegen war bestimmt schon gut in den Dreißigern gewesen, vielleicht sogar noch älter. Warum hatte Viola ihn wohl einem jüngeren Mann vorgezogen? Knapweed sah auf seine unscheinbare Art nicht schlecht aus und war sehr tüchtig, was die Rubiaceae betraf.
    Aber vielleicht genügte das nicht? Bei genauerem Nachdenken konnte Petersich durchaus vorstellen, daß die pikaresken Züge, die Emmerick zweifellos besessen haben mußte, wenn er dreist genug gewesen war, sich hier einfach einzuschleichen, und der unbeschwerte Enthusiasmus, mit dem er sich ohne viel Überlegen kopfüber in ein Abenteuer hineingestürzt hatte, ohne zu wissen, was ihn erwartete, die extravagante Viola sicher sehr viel stärker beeindruckt hatten als der Hang ihres Kollegen, auf verrotteten Baumstümpfen zu hocken und über Labkrautrispen zu meditieren. Im Grunde war die Rub wceae-Familie wirklich nicht sonderlich charis-matisch , mußte Peter zugeben, auch wenn das Engelsauge auf seine bescheidene Art recht ansehnlich war und das Gemeine Labkraut immer noch mehr Pep hatte als die Gewöhnliche Pechnelke.
    Nun ja, so war nun mal das Leben. Peter vermutete, daß er sich allmählich wieder auf den Weg zum College machen sollte, auch wenn er nicht genau

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