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Eine Eule kommt selten allein

Titel: Eine Eule kommt selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Katzen schlichen sie sich an ihre Beute heran. Es bestand durchaus die Möglichkeit, daß sich außer ihnen niemand an Bord befand. Viel wahrscheinlicher war allerdings, daß sie auf ein harmloses Mitglied der Crew stießen, das gerade einen friedlichen Abend mit seinem Buch, seiner Pfeife, seinem Hund oder seiner Freundin verbrachte, doch dieses Risiko mußte man eben eingehen. Peter versuchte, eine Kajütentür zu öffnen, doch sie war verschlossen. Er trat beiseite und bedeutete Svenson, sein Glück zu versuchen. Thorkjeld lehnte sich mit der Schulter gegen das Schloß und drückte, und schon waren sie drinnen.
    »Meine Güte, Peter und Dr. Svenson«, rief Winifred Binks. »Wie schön, daß Sie gekommen sind!«
    Einen Moment lang waren die beiden zu beschäftigt, um ihren Gruß zu erwidern. Sofort als sie den Raum betreten hatten, war ein riesiger Mann, der wenig vertrauenerweckend aussah, aufgesprungen und hatte nach seinem M 1 -Gewehr gegriffen. Innerhalb von Sekunden hatte Peter ihm das Gewehr entrissen, während es Dr. Svenson gelang, den Wächter zu Fall zu bringen. Leider rollten die beiden auf dem engen Kajütenboden hin und her, während Svenson seinem Gegner den Gürtel abnahm, um ihn damit zu fesseln, so daß es Peter nicht gelang, die Tür zu erreichen, die in einen weiteren Raum führte. Doch genau das wollte er unbedingt, denn sein Gefühl sagte ihm, daß kein halbwegs vernünftiger Entführer Winifred Binks hier mutterseelenallein mit lediglich einem muskelstrotzenden Schwachkopf als Bewacher zurücklassen würde.
    Sein Gefühl hatte ihn natürlich nicht betrogen. Peter versuchte immer noch verzweifelt, sich einen Weg vorbei an den tretenden Beinen und gequälten Bizepsen zu bahnen, als auch schon eine Gestalt in besagter Tür auftauchte.
    »Grundgütiger!« stieß er hervor.
    Schleppkahn-Annie stand leibhaftig vor ihm, eine unförmige Person, die riesige Gummistiefel, einen dicken dunkelgrünen Pullover voller loser Fäden und Löcher und einen reichlich verdreckten schwarzen Rock trug. Ihr Gesicht war rot und wetter-gegerbt, graues Haar schaute büschelweise unter einem alten Männerfilzhut hervor, der dem Hut ähnlich sah, den Peters Vater immer getragen hatte.
    »Was zum Teufel habt ihr Kerle denn hier zu suchen?«
    Ihre Stimme lag irgendwo zwischen Quieken und Kreischen. Das brachte das Faß zum Überlaufen. Peter hob das Gewehr und blinzelte freundlich am Lauf entlang.
    »Wir machen nur eine kleine Stippvisite«, erwiderte er. »Das ist hier bei uns so Sitte. Unseren Collegepräsidenten Dr. Svenson haben Sie, glaube ich, noch nicht getroffen. Präsident, das ist der angebliche Mr. Fanshaw, von dem ich Ihnen bereits erzählt habe. Nett, Sie wiederzusehen, Mr. Fanshaw, wir hatten uns schon gefragt, wo Sie nach Ihrem raffinierten Ausbruch aus dem Gefängnis abgeblieben waren. Alle Achtung, Ihre Schleppkahn-Annie-Verkleidung ist wirklich sehenswert, nur die Stimme haben Sie leider verpatzt.«
    »Ach ja?« Fanshaw versuchte, Peter mit seinem Hypnoseblick zu fixieren. »Vielleicht sind Sie so nett und erzählen mir, was ich falsch gemacht habe?«
    »Eine ganze Menge, wenn Sie es genau wissen wollen. Erstens hatte Annie eher eine Baß- als eine Sopranstimme. Zweitens ist es nicht die feine Art, Polizisten zu hypnotisieren, während sie ihren Pflichten nachkommen. Drittens ist die Entführung von reichen Erbinnen selbst in den höchsten Kreisen verpönt. Und viertens haben Sie sich einen Mord aufgeladen.«
    »Wie bitte?« Es folgte eine ausgedehnte Pause. »Sie wissen wohl nicht, was Sie sagen.«
    »Und ob ich das weiß. Ich rede von dem jungen Botaniker draußen in der Forschungsstation. Sein Name ist Knapweed Calthrop. Sie haben ihm den Schädel eingeschlagen, als Sie Professor Binks entführten.«
    Peter hätte schwören können, daß Fanshaw tatsächlich nicht wußte, was er meinte, was ihn im Grunde nicht wunderte, denn Fanshaw wirkte eigentlich eher wie ein Betrüger und nicht wie ein Mörder. Der Himmel wußte, wie viele Komplizen er hatte und wer die Fäden in der Hand hielt. Dem Riesen, den Svenson gerade gefällt hatte, war es viel eher zuzutrauen, Calthrop niedergeschlagen und die sinnliche Viola grob angefaßt zu haben. Fanshaw konnte mit der gestrigen Baumfesselung sowieso nichts zu tun haben, da er zur fraglichen Zeit im Gefängnis von Balaclava Junction gesessen hatte und damit beschäftigt gewesen war, Ottermole und Dorkin zu hypnotisieren. Der angebliche Anwalt, der auf dem Revier

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